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Nicht ängstlich sparen

Karl Zawadzky12. November 2008

Die "Fünf Weisen" des Sachverständigenrats sehen Deutschland vor einer Rezession. Doch Mitte 2009 könnte es wieder aufwärts gehen. Die Lage ist kritisch, aber nicht hoffnungslos, meint Karl Zawadzky.

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Karl Zawadzky

Die von der globalen Finanzkrise sowie von der Weltrezession ausgehenden Schockwellen haben die deutsche Wirtschaft zu einem ungünstigen Zeitpunkt voll erfasst. Der Aufschwung der vergangenen Jahre neigte sich nämlich seinem Ende entgegen. Doch statt einer sanften Landung der Konjunktur hat es einen Crash gegeben. Innerhalb weniger Wochen hat sich die Wirtschaftsentwicklung dramatisch verschlechtert. Zwar ist die jahresdurchschnittliche Wachstumsrate mit 1,7 Prozent in diesem Jahr noch durchaus ordentlich, doch die derzeitige Situation sieht anders aus. Das Wachstum ist zum Stillstand gekommen. In der Autoindustrie wird mangels Nachfrage die Produktion reduziert, der Maschinenbau arbeitet noch die dicken Auftragsbücher ab, aber neue Aufträge gehen nur noch spärlich ein. Anderen Branchen, die stark vom Export abhängig sind, geht es ähnlich.

Ernst, aber nicht hoffnungslos

Ein kurzfristiges Ende des Abwärtstrends ist nicht absehbar. Auch die deutsche Wirtschaft leidet unter der globalen Finanzkrise sowie der dadurch ausgelösten Weltrezession. Die Lage ist nach Ansicht der fünf Wirtschaftsprofessoren des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung zwar kritisch, aber nicht hoffnungslos. Vieles spricht für das Szenario, das sie in ihrem Jahresgutachten beschreiben. Der vielleicht wichtigste Satz des Gutachtens lautet: „Zu einer Weltwirtschaftskrise wie in den dreißiger Jahren wird es nicht kommen." Zwar gab es kurzfristig eine systemische Krise des Finanzsektors, aber durch das entschlossene Gegensteuern der Regierungen und Notenbanken ist der Kollaps der Banken- und Versicherungsmärkte verhindert worden. Die Regierungen haben viele hundert Milliarden Euro oder Dollar schwere Rettungspakete für die wankenden Banken und Versicherungen in Kraft gesetzt, die Notenbanken haben die Zinsen gesenkt. Die Fehler der Vergangenheit werden sich nicht wiederholen. Das heißt im konkreten Fall: Die Bundesregierung hat ihre restriktive Finanzpolitik gelockert und das Ziel aufgegeben, im Jahr 2011 erstmals seit Jahrzehnten wieder einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Krisenbewältigung hat Vorrang.

Die Kehrseite der Exporterfolge

Die Finanzkrise ist längst nicht gelöst, aber unter Kontrolle. Größere Sorgen macht derzeit die reale Wirtschaft, mit der es nach dem scharfen Konjunktureinbruch weiter abwärts geht. Jetzt erweist sich nämlich die Kehrseite der starken Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft. Oft hat der Export die Konjunktur beflügelt, oft war die Ausfuhr die Initialzündung für einen Aufschwung. Nun ist wegen der Rezession in wichtigen Partnerländern – etwa den USA, Großbritannien oder Spanien – die Nachfrage aus dem Ausland eingebrochen, was bei Unternehmen, die 60 bis 80 Prozent ihrer Erzeugnisse exportieren, zu heftigen Produktionseinschränkungen und Kurzarbeit führt. Erst für die zweite Hälfte des kommenden Jahres ist eine verhaltene Besserung in Sicht – dies aber nur, wenn es weltweit wieder aufwärts geht.

Nicht ängstlich sparen

Kurzfristig steht Deutschland vor einer Rezession. Das heißt: Die gesamtwirtschaftliche Leistung wird bis in das Frühjahr hinein rückläufig sein und sich dann erholen. Für das Gesamtjahr 2009 bedeutet das Stagnation. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise sind das gar nicht mal so schlechte Aussichten. Vor allem ließen sich, wenn die Ratschläge der fünf Weisen beherzigt werden, die negativen Folgen für den Arbeitsmarkt auf einen Anstieg der Arbeitslosenzahl um etwas mehr als 30 000 begrenzen. Freilich setzt das voraus, dass die Abwärtsentwicklung der Konjunktur tatsächlich gestoppt werden kann. Dazu beitragen können vor allem die Bundesregierung, die Notenbank und die Verbraucher. Die Bundesregierung sollte in der Tat ihre Investitionen in die Infrastruktur sowie in Bildung erhöhen. Die Europäische Zentralbank kann angesichts der Preisberuhigung die Zinsen weiter senken. Die Verbraucher sollten nicht ängstlich sparen, sondern mutig Geld ausgeben. Wer sich das Weihnachtsfest von der Krise nicht vermiesen läßt, beglückt nicht nur seine Lieben, sondern hilft auch der Konjunktur.