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Mail aus... Portugal

Jochen Faget (EURANET)9. Januar 2009

In unserer Rubrik "Mail aus..." berichten unsere Korrespondenten über lustige und skurrile Geschichten aus ihrem Alltag im Gastland. Diese Woche schreibt uns Jochen Faget aus Portugal.

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Bachneunauge, Unterwasseraufnahme
Neunaugen in die Münder - die Fische gelten in Portugal als DelikatesseBild: picture-alliance / OKAPIA KG, Germany

Irgendwie packt in diesen Tagen fast alle meine Freunde und Kollegen eine erwartungsvolle Unruhe. Alle haben ein geheimnisvolles Leuchten in den Augen und fragen höchst konspirativ, ob ich denn schon war oder wann wir denn endlich fahren.

Denn: Im Januar beginnt in Portugal die Neunaugensaison. Wenn diese eigentlich potthässlichen, fischähnlichen Wirbeltiere zum Ablaichen die Flüsse hochziehen, beginnt eine Feinschmecker-Völkerwanderung, der wir uns natürlich gern anschliessen. Für einen sämigen, mit Rotwein gekochten Neunaugenreis fahren meine Freunde und ich gern ein paar hundert Kilometer – wenn wir uns erst einmal geeinigt haben, in welchem Ort das aalartige, vom Aussterben bedrohte Urzeittier verzehrt werden soll.

Die Neunaugen sind vom Aussterben bedroht, aber das hält die Portugiesen nicht vom Neunaugenessen ab. Wir sind schließlich nicht schuld, dass die Flüsse wegen des Klimawandels immer weniger Wasser führen, dass wegen der Umweltverschmutzung immer weniger Neunaugen den langen Weg vom Meer zu ihren Laichgründen schaffen und dass die Tiere an EU-finanzierten Stau-Stufen ohne Fischschleusen verenden, ohne ihr Fortpflanzungs-Ziel zu erreichen.

Abgesehen davon: An den vier, fünf Mittagessen, für die wir von einem Landesende zum anderen fahren, wird die biologische Familie der Neunaugen nicht zu Grunde gehen. Öfter können wir uns das sowieso nicht leisten, denn eine Portion soll dieses Jahr über 30 Euro kosten.

Es stimmt natürlich, dass viele Tausend portugiesische Neunaugenfans zum Neunaugenessen fahren und nicht nur wir - und das kann den Bestand durchaus gefährden. Dieses Argument haben wir beim Neunaugenschmaus im vergangenen Jahr ernsthaft diskutiert. Und wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Portugals Tierschützer sich endlich dieser Thematik annehmen sollten, statt ständig nur gegen den Stierkampf zu wettern. Es muss einfach etwas zum Schutz der Neunaugen getan werden, sonst sind sie irgendwann ganz aus Portugals Flüssen verschwunden – und dann Gnade uns Gott!

Dann wäre es vorbei mit der erwartungsvollen Unruhe und den leuchtenden Augen im Januar. Also haben wir beschlossen, sicherheitshalber so schnell wie möglich zum Neunaugenessen zu fahren – nächstes oder übernächstes Wochenende.