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Neues Medikament gegen Tuberkulose

Gudrun Heise / Brigitte Osterath23. März 2013

Die meisten Tuberkulose-Erreger sind gegen gängige Antibiotika unempfindlich. Ein neues Medikament soll nun diese resistenten Bakterien knacken. Ganz ungefährlich scheint Bedaquilin aber nicht zu sein.

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Tuberkulosepatientin Foto: ALEXANDER JOE/AFP/Getty Images
Bild: Alexander Joe/AFP/Getty Images

Ausgerottet ist die Tuberkulose bei weitem nicht, in Osteuropa steigen die Zahlen der TB-Erkrankungen sogar. Verursacht wird die Infektionskrankheit durch das Mycobacterium tuberculosis, und in 80 Prozent aller Fälle ist die Lunge betroffen. Ist das Immunsystem geschwächt, etwa durch eine HIV-Infektion, haben die Erreger leichtes Spiel.

Rund neun Millionen Menschen erkranken jährlich, etwa zwei Millionen sterben pro Jahr an TB. Die Therapie ist langwierig, behandelt wird bisher mit Medikamenten, die aus dem Jahr 1963 stammen. Nun aber, ganze 50 Jahre später, gibt es ein neues Mittel, das Hoffnung macht: Bedaquilin. Im Januar hat die FDA, die US-amerikanische Zulassungsbehörde, das Medikament freigegeben.

Ein Meilenstein in der Tuberkulose-Forschung?

Als richtigen Durchbruch sieht Tom Schaberg Bedaquilin nicht, aber es sei ein Medikament mit einem neuen Wirkmechanismus. "Insofern ist es ein sehr gezielt auf den Erreger entwickeltes Medikament. Man kann sogar umgekehrt sagen: Man hatte erst das Enzym im Bakterium identifiziert, das man gerne hemmen wollte, und dafür hat man dann eine entsprechende Substanz entwickelt", so Scharberg.

Der Tuberkulose-Erreger Mycobacterium tuberculosis, aufgenommen unter dem Elektronenmikroskop (Photo: dpa)
Mycobacterium tuberculosis: der Erreger der TuberkuloseBild: picture-alliance/dpa

Der Mediziner ist unter anderem Mitglied im Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose. Gegründet wurde die DZK 1895, in einer Zeit also, in der TB in Deutschland eine Volkskrankheit war. Heute gilt die Organisation als wichtiger Entscheidungsträger.

Bedaquilin hemmt ein wichtiges Enzym für die Energiegewinnung der Mycobakterien und lässt die Erreger so absterben. Es wirkt auch bei multiresistenten Tuberkulosebakterien, die bereits Abwehrmechanismen gegen die gängigen Antibiotika entwickelt haben.

Kürzere Behandlung

Eines der Ziele in der Tuberkuloseforschung ist es, die Dauer der Behandlung zu verringern. "Jetzt müssen wir noch sechs Monate behandeln. Wenn man auf vier oder drei Monate verkürzen könnte, wäre das ein großer Gewinn", erläutert Schaberg. Wichtig sei auch, dass man das neue Medikament Bedaquilin mit den bisher verabreichten Substanzen kombinieren kann.

Tuberkulose wird immer mit mehreren Medikamenten behandelt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich Resistenzen entwickeln. Bei den multiresistenten Tuberkulosestämmen wird der Patient mit sogenannten Medikamenten der 2. Linie behandelt, und das über einen Zeitraum von zwei Jahren.

Bedaquilin könne einen wichtigen Beitrag leisten, so Oliver Moldenhauer von der Organisation Ärzte ohne Grenzen. "Es ist auf jeden Fall ein Meilenstein in der Tuberkuloseforschung, dass wir seit 50 Jahren zum ersten Mal wieder ein gut wirkendes TB-Medikament haben. Wir hoffen sehr, dass es auch ein Meilenstein in der Behandlung wird." Moldenhauer schränkt aber ein, dass das Medikament bislang zu selten angewendet wurde, um sagen zu können, ob es ein Durchbruch sei. "Es hat sicherlich das Potenzial dazu, aber mit Sicherheit sagen können wir das noch nicht."

Die TB Alliance

Beldaquilin wurde in Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen (NGO), einer US-amerikanischen Pharmafirma und der sogenannten TB Alliance entwickelt. Die TB Alliance ist ein Zusammenschluss der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Bill und Melinda Gates Foundation und NGOs. Sie hat sich unter anderem der Bekämpfung der Tuberkulose verschrieben. Eine wichtige Maßgabe sei, dass die Medikamente in armen Ländern erschwinglich sind, sagt Tom Scharberg.

Röntgenbild von Lungen und Brustkorb mit Oberlappen-Tuberkulose auf beiden Seiten (Photo: dpa)
Tuberkulose betrifft meist die Lunge.Bild: picture-alliance/dpa

Nicht ohne Nebenwirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Bedaquilin zählen laut klinischer Studie Übelkeit, Gelenk- und Kopfschmerzen. Das Medikament kann auch zu schweren Herzrhythmusstörungen führen. Die FDA hat das Medikament daher mit einem besonderen Warnhinweis, der Black Box, versehen, die vor den schwerwiegenden Nebenwirkungen warnt.

Und nicht nur das: In der klinischen Studie kam es zudem zu einer erhöhten Sterblichkeit durch das Medikament. In der Kontrollgruppe, die ein unwirksames Placebo bekommen hatte, waren während der Studie zwei Probanden gestorben - in der Gruppe, die Bedaquilin erhalten hatten, waren es neun. Fünf von diesen starben wahrscheinlich an den Folgen der Tuberkulose, bei den übrigen Todesfällen ist die Ursache aber unklar.

Einsatz auch ohne Zulassung

Zugelassen ist das neue Medikament erst einmal nur in den USA, und zwar als sogenanntes Orphan Drug. Das sind Arzneimittel, bei denen das Zulassungsverfahren verkürzt ist, damit sie schneller auf den Markt kommen können. In Einzelfällen kann es auch in Deutschland eingesetzt werden. Dafür ist jeder Fall bei den Behörden entsprechend zu beantragen und zu begründen. "Das gilt für Patienten, bei denen man davon ausgeht, dass sonst nichts mehr zu machen ist", so Oliver Moldenhauer.

Die Krankheit beginnt sehr häufig unspektakulär mit Allgemeinsymptomen: Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Irgendwann kommt dann auch Husten hinzu. Häufig aber ist es so, dass die Patienten sich sehr lange nicht richtig krank fühlen und deshalb auch sehr spät zum Arzt gehen. Gerade in Deutschland ist die Krankheit nicht mehr im Bewusstsein eines jeden Hausarztes, so dass der möglicherweise nicht sofort an Tuberkulose denkt. Dadurch verzögert sich die Behandlung. Die Gefahr, dass es zu weiteren Ansteckungen kommt, steigt.

Eine Frau steht in einem Labor vor einer Reihe von Teströhrchen (Photo: dpa)
Test auf Tuberkulose im VenenblutBild: picture-alliance/dpa

Ansteckungsgefahr kann über Jahre und sogar über Jahrzehnte bestehen. Der größte Durchbruch in der Tuberkuloseforschung wäre also ein Impfstoff. Doch das wird dauern.