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Neues Dopingmittel Aicar

Tom Mustroph11. Juli 2013

Zum Jubiläum der Tour de France wollen die Veranstalter endlich das Doping-Image loswerden. Die gute Nachricht: Die EPO-Ära ist vorbei. Die schlechte: Die Athleten dopen mit anderen Mitteln, beispielsweise Aicar.

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Spritze vor dem Wort Doping (Foto: dpa - Bildfunk)
Doping SymbolbildBild: picture-alliance/dpa

Immerhin: Epo haben die Dopingfahnder inzwischen gut im Griff. Denn die Nachweisverfahren hätten sich verbessert, meint Mario Thevis, Dopinganalytiker am Kölner Dopingkontrolllabor. So seien jetzt auch kleinere Mengen des leistungssteigernden Mittels noch besser zu finden. "Zum anderen kommt es immer wieder auch auf den Zeitpunkt der Kontrolle an. Wenn der gut gewählt ist, dann haben wir auch deutlich mehr Chancen, in den Urinproben fündig zu werden.“

Thevis' Labor spürte zum Beispiel solche Epo-Präparate auf, von denen die Giro d'Italia-Teilnehmer Danilo di Luca und Mauro Santambrogio erwartet hatten, dass sie nicht entdeckbar seien. Epo nehmen also nur noch die ganz Unbelehrbaren. Oder die, die wissenschaftlichen Fortschritt nicht mitbekommen haben. Denn mittlerweile sind Präparate auf dem Markt, die zwar nicht die Anzahl der Blutkörperchen im Kreislauf erhöhen, aber dennoch für mehr Power in den Muskeln sorgen. Aicar und GW1516 etwa bauen zudem Fett ab - und sind deshalb gerade für Athleten interessant, die Gewicht sparen wollen, um besser über die Berge zu kommen und gleichzeitig Muskelkraft gut gebrauchen können.

Muskelaufbau und Fettabbau

"In Tierversuchen und klinischen Testphasen konnte man zeigen, dass GW1516 die Mitochondrienzahl, also die Anzahl der sogenannten Kraftwerke in den Muskelzellen, steigen lässt. Das heißt nicht, dass Sie an Muskelmasse zunehmen, sondern dass Sie die Effektivität der vorhandenen Muskulatur steigern. Und es kommt in der Tat zu einem geringeren Fettaufbau, unabhängig davon, ob Sie sich fettreich oder weniger fettreich ernähren", erklärt Thevis.

GW1516 hat allerdings sehr problematische Nebenwirkungen: Tumorbildungen in Leber, Blase und Niere. Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline stellte deshalb 2006 die Forschung ein. Vom Markt war GW1516 deshalb aber noch lange nicht. Man konnte - und kann es weiterhin - im Internet bestellen. Im Oktober 2012 wurde der erste Leistungssportler mit GW1516 erwischt: ein Eisschnellläufer. Ihm folgten im Frühjahr 2013 ein halbes Dutzend Radprofis.

Immerhin kann GW1516 leicht nachgewiesen werden. Es ist eine körperfremde Substanz. Auch geringste Spuren sind als Doping sanktionierbar. Bei Aicar ist die Sachlage anders. Denn es wird auch vom menschlichen Organismus produziert. "Es ist nun an uns, zu zeigen, dass es sich nicht oder nicht ausschließlich um körpereigenes Aicar handelt, wenn wir einen Sportler des Dopings mit Aicar überführen wollen, sondern dass es tatsächlich körperfremd ist und von außen zugeführt wurde", meint Mario Thevis.

Grenzwertig

Nachdem während der Tour de France 2009 leere Verpackungen von Aicar in einem Teamhotel des Astana-Rennstalls sichergestellt wurden - damals fuhren Lance Armstrong und Alberto Contador unter kasachischer Flagge - machten die Dopingjäger mobil. Thevis nahm mit seinen Kölner Kollegen eine Studie zur natürlichen Verteilung von Aicar im menschlichen Organismus vor und fand einen Grenzwert. Doch bis heute wird er im Dopingkontrollregime nicht benutzt. Die Weltantidopingagentur WADA wehrte eine Nachfrage mit dem Hinweis ab, dass man potentiellen Betrügern keine Hinweise geben wolle.

Bis es einen juristisch gültigen Nachweis von körperfremden Aicar gibt, sollen laut Thevis immerhin "auffällige Proben langzeitgelagert und bei einem späteren Test, der beweist, dass es körperfremdes Aicar ist, auch nachanalysiert werden."