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Neuer Zündstoff im Nahost-Konflikt

25. Mai 2011

Benjamin Netanjahu hat mit seiner Rede die US-Parlamentarier begeistert. Israel selbst hat er mit seiner starren Haltung jedoch international weiter isoliert, meint Daniel Scheschkewitz.

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Bild: DW

Es war ein dramatischer Moment in der zähen Geschichte des Nahostfriedensprozesses. Als Israels Ministerpräsident am Rednerpult auf dem Kapitolshügel das Wort ergriff, wartete man nicht nur auf den vollbesetzten Bänken im Kongress, sondern weltweit gespannt darauf, ob sich Benjamin Netanjahu endlich bewegen würde. In Richtung der von Präsident Obama angesetzten Zielmarke, nach der sich der Staat Israel endlich zu Verhandlungen mit den Palästinensern bereit erklären sollte, und zwar auf der Grundlage der Grenzen von 1967, also ohne die besetzten Gebiete.

Benjamin Netanjahu, der mit allen Wassern gewaschene Rhetoriker, tat das, was man von ihm erwarten durfte. Mit einer brillanten Charme-Offensive überspielte er absolute Unnachgiebigkeit und Sturheit in der Sache. Seine Regierung will an ihren überkommenen Prinzipien festhalten. Jerusalem bleibt die ungeteilte Hauptstadt, israelische Soldaten sollen den Palästinenserstaat an seinen Ostgrenzen sichern und eine Aufnahme für palästinensische Flüchtlinge in Israel soll es nicht geben. Unter dem Strich war dies nicht nur eine schallende Ohrfeige für Obama, sondern auch eine klare Absage an eine faire Zweistaatenlösung und an einen lebensfähigen Palästinenserstaat. Eine Nahostfriedenslösung bleibt damit in weiter Ferne.

Schwierige Gemengelage

Ernüchterung mag nun im Weißen Haus, in den Hauptstädten der EU und natürlich in der arabischen Welt selbst einkehren. Die Stimmungslage im US-Kongress spricht aber eine andere Sprache. Die Parlamentarier brachen während und nach der Rede Netanjahus in minutenlangen Jubel aus. Die amerikanischen Kongressabgeordneten, übrigens in beiden Parteien, halten ihre schützende Hand auch weiter über Israel, mag sich seine Führung auch noch so unnachgiebig präsentieren. Amerika ist und bleibt die Heimat der während der Naziherrschaft aus Europa ausgewanderten Juden und der nachfolgenden Generationen. Auf diese Gemengelage muss jeder US-Präsident Rücksicht nehmen, vor allem dann, wenn er - wie Obama - demnächst wiedergewählt werden will. Barack Obama hatte sich mit seiner Grundsatzrede zur Lage im Nahen Osten relativ weit aus dem Fenster gelehnt. Gebracht hat es ihm nichts, die Fronten scheinen starrer denn je.

Chance vertan

Was bedeutet das nun für den Nahostfriedensprozess? Die Hamas-Fraktion im Lager der Palästinenser darf sich bestätigt fühlen. Mit der Regierung Netanjahu sind Verhandlungen über einen lebensfähigen souveränen Palästinenserstaat nach Lage der Dinge nicht zu führen. Die Menschen in den von Umwälzungen erfassten arabischen Staaten werden jeden Rest von Glauben an eine diplomatische Lösung des Konflikts verlieren. Der Zündstoff für neue Grenzstreitigkeiten in der Region, ob auf den Golanhöhen oder am Gazastreifen wird an Explosivkraft hinzugewinnen. Schon im Umfeld der UN-Vollversammlung im Herbst könnten einzelne Staaten mit der einseitigen Anerkennung eines unabhängigen Palästinenserstaates versuchen, neue Fakten zu schaffen. Der Druck auf Israel wird weiter zunehmen.

Benjamin Netanjahu ist ein hervorragender Kenner der USA, er hat Vabanque gespielt und die Stimmung im Kongress richtig eingeschätzt. Mit seinem Beharrungsvermögen hat er jedoch erneut eine historische Chance vertan und sein Land außerhalb Amerikas noch tiefer isoliert.

Autor: Daniel Scheschkewitz
Redaktion: Bernd Riegert