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Gesundheitsapps boomen

Anja Kimmig29. Juli 2014

Apps zeichnen Kalorien- und Schrittzahl auf. Armbänder messen Puls und Blutdruck. In Deutschland soll der Markt bis 2017 auf drei Milliarden Euro wachsen. Vor allem Startups sprießen aus dem Boden.

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28.07.2014 DW MADE IN GERMANY Fitness 01 Körperwaage

Fitness-Apps - die neuen Gesundheitshelfer

Den eigenen Körper und Gewohnheiten besser kontrollieren, Bewegung, Schlaf und Kalorienverbrauch messen. "Quantified Self" heißt die Fitnessbewegung aus Kalifornien, die dahinter steckt. Sich selbst zu vermessen und optimieren, ist das Ziel. Rund 100 Gruppen sollen sich weltweit etabliert haben, seit die Bewegung 2007 entstand. Inzwischen ist sie auch in Deutschland angekommen. Nicht nur Sportler und gesundheitsbewusste Menschen nutzen Fitness-Armbänder von großen amerikanischen Marktführern wie Nike, Jawbone und Fitbit. Auch Unternehmer und Topmanager wie Paul Achleitner, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank oder Co-Vorstandsvorsitzender Anshu Jain tragen sie lässig am Handgelenk.

Die Armbänder sind mit Metall-Sensoren ausgestattet. Andere Fitness-Wearables können auch direkt auf der Haut getragen werden. Sie messen Körperbewegung und Puls, manche den Blutdruck. Die Daten werden meist per Bluetooth auf das Smartphone übertragen und ausgewertet. An Kurven und Diagrammen können die Nutzer ablesen, ob sie sich zum Beispiel genug bewegt, ausreichend Kalorien verbrannt oder gut geschlafen haben. Manche schließen sich zu virtuellen Gruppen zusammen, um die eigene Leistung mit anderen zu vergleichen und um sich gegenseitig anzuspornen - Selbstoptimierung eben. Vor allem in Berlin und München haben sich "Quantified Self"-Gruppen etabliert.

Fitnessarmband (Foto: DW TV)
Fitnessarmbänder bringen Medizindaten aufs Smartphone

Selbstoptimierung als Lebenseinstellung

Maximilian Gotzler ist passionierter Selbstoptimierer. Er hat in den USA Wirtschaft und Psychologie studiert und ist dort mit der Bewegung in Berührung gekommen. "Ich komme aus dem Leistungssport habe professionell Basketball gespielt, vor allem will man zu den Höhepunkten der Saison Leistung abrufen und arbeitet deshalb stark mit Selbstverbesserung", sagt der 30-jährige. Er hat in der College-Mannschaft der Boston University gespielt. Dort war es üblich, bestimmte Biomarker zu messen, zum Beispiel Körpergewicht und Fettanteil. "Ich glaube, im Moment findet ein Umdenken statt, dass man den Körper, den man früher als gegeben gesehen hat, jetzt als Vehikel sieht, den man optimieren kann", sagt Maximilian Gotzler. "Ähnlich wie ein Auto, das man in die Werkstatt bringt und durchchecken lässt, Ölwechsel macht, so sieht man auch seinen Körper. Man kann ihn besser behandeln, dass er länger läuft."

Fitnessdaten auf dem Smartphone (Foto: DW TV)
Fitnessdaten auf dem Smartphone

Maximilian Gotzler lebt in Berlin und will auch beruflich von der neuen Fitness-Welle profitieren. Vergangenes Jahr hat er sein eigenes Gesundheits-Startup gegründet. Mit einem Labor hat er Bluttests entwickelt, um den Vitamin-D-Spiegel zu bestimmen. An den Werten lassen sich Tipps für eine gesündere Lebensweise ableiten. Bisher ist sein Unternehmen ein Ein-Mann-Betrieb, die ersten 100 Tests hat er verkauft, doch er setzt voll auf den digitalen Gesundheitsmarkt.

Maximilian Gotzler im Büro (Foto: DW TV)
Maximilian Gotzler: "Man kann den Körper optimieren"

Neuer Boom Gesundheits-Startups

Startups, die an digitalen Gesundheitshelfern arbeiten, sprießen gerade aus dem Boden. Neuronation ist eines davon, es hat sich auf Gedächtnistraining und Gehirnjogging spezialisiert. Mit über 50 Übungsmodulen sollen die grauen Zellen fit gemacht und das Gedächtnis verbessert werden. Das Training ist im Internet oder über eine App abrufbar, so dass man sie auch unterwegs in der U-Bahn oder der Mittagspause anwenden kann. Einige der Übungen sind kostenlos, wer ein Monats-Abo für sieben Euro abschließt, kann das ganze Angebot nutzen.

Die drei Gründer Rojahn Ahmadi, Ilya Shabanov und Jakob Futorjansk arbeiten eng mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Max Planck-Institut und der Freien Universität zusammen. "Wir wollen uns dieses Jahr noch internationalisieren, das heißt das Hirntraining Made in Germany in die Welt tragen", sagt Jakob Futorjansk. "Erst ist Europa dran. Ende des Jahres soll es überall auf der Welt zum Download verfügbar sein und entsprechend genutzt werden können." Gerade ist ein Investor bei ihnen eingestiegen, das soll das Startup richtig voran bringen.

Die drei Gründer von Neuronation (Foto: DW TV)
Die drei Gründer von Neuronation

"Wir haben seit letztem Sommer schon 260 Businesspläne gesehen zum Thema digitale Gesundheit, viele aus Deutschland, der Großteil aus Berlin, aber auch aus Europa und den USA", sagt Ulli Jendrik Koop. Er leitet XL Health, einen Venture Capital Fund in Berlin. Der fördert besonders Startups aus dem Bereich digitale Gesundheit. "Etablierte Organisationen im Gesundheitswesen haben erkannt, dass die digitale Gesundheitswirtschaft ein wachsender Trend ist, der viel Potenzial hat." Gerade baut er einen Inkubator für Gesundheits-Startups in Berlin auf. Neuronation wird eines von fünf sein, das in seine Räume einzieht und von der Finanzierung und dem großem Netzwerk an Investoren und Partnern profitieren wird.

Markt mit Fitnessprodukten wächst

Laut einer Studie von A.T. Kearney belief sich der Gesamtmarkt für mobile Gesundheitsprodukte 2012 in Deutschland auf 906 Millionen Euro. Die Unternehmensberatung geht davon aus, dass er bis 2017 auf drei Milliarden Euro anwachsen wird und dann ein Prozent des gesamten Gesundheitsmarktes ausmacht. Das umsatzstärkste Segment ist die Hardware, das heißt Geräte für die Fitness und mobile Sensoren. Auch die Krankenkassen interessieren sich langsam für die elektronischen Fitnesshelfer. Wer gesund lebt, wird nicht so schnell krank und verursacht im Gesundheitssystem keine Kosten.

Fitness-App auf einem Handy (Foto: DW TV)
Wie viele Schritte hab' ich heut' gemacht?Bild: Nike Fuelband

Doch laut der Studie gibt es noch zu viele Probleme mit der Zulassung der Produkte und der Regulierung. Auch die Kostenübernahme für die Produkte hat sich bei den Krankenkassen noch nicht durchgesetzt. Deshalb werde erst mal die Zielgruppe der fitnessbewussten Konsumenten und Startup-Gründer die treibende Kraft auf dem Markt sein, vor allem gesunde Menschen zwischen 20 und 45 Jahren, die bereit sind, die Kosten selbst zu übernehmen. Diejenigen, die das mobile Internet heute auch hauptsächlich nutzen. Auch weltweit ist die digitale Fitness-Industrie auf dem Vormarsch. Nach Schätzungen der Globalen Industrievereinigung der Mobilfunkbetreiber (GSMA) werden für 2017 weltweit Umsätze von 18,8 Milliarden Euro mit Mobile Health-Diensten erwartet, davon über 5,6 Milliarden Euro in Europa, gefolgt von Nordamerika mit 5,3 Milliarden Euro.