Griechischer Tourismus
6. Juni 2012Nicht mit Krediten, sondern mit Know-how wollen deutsche Kommunen und Regionen ihren Pendants in Griechenland helfen. Vor einem halben Jahr benannte Bundeskanzlerin Merkel den Staatssekretär im Arbeitsministerium Hans-Joachim Fuchtel als Verantwortlichen für diese Initiative, in Griechenland ist es der Bürgermeister von Thessaloniki, Jannis Boutaris. Die Idee ist, Politiker und Experten aus Kommunen und Regionen zusammenzubringen: Wer kann vom anderen was lernen. Das ist zumindest die Theorie, in der Praxis werden wohl vorerst die Griechen von diesem Angebot mehr profitieren. Zwar ist es bislang zu keiner projektbezogenen Zusammenarbeit gekommen, aber immerhin - man trifft sich.
Neuestes Beispiel ist eine Tagung in der nordgriechischen Stadt Kavala. Sie ist die erste von insgesamt zehn, die bis in den Herbst hinein zu unterschiedlichen Fragen geplant sind.
Mehr Touristen mit neuen Angeboten
In Kavala ging es um die Weiterentwicklung des Tourismus in Griechenland. Im Wesentlichen konzentriert er sich immer noch auf Sonne, Meer und Strand in den drei Sommermonaten. Um mehr Touristen ins Land zu bekommen, muss man das Angebot und die touristische Saison erweitern. Zum Beispiel durch die Ankurbelung des Tourismus in den Nationalparks. Das muss nicht im Widerspruch zum Naturschutz stehen, so Andreas Pusch, Leiter des Nationalparks Harz. Man müsse sich allerdings um Akzeptanz sowohl bei der einheimischen Bevölkerung als auch bei den Gästen für ein naturnahes und naturangepasstes Urlauben bemühen. Dazu habe man im Harz ein umfangreiches Programm entwickelt, das unter anderem aus Bildungsangeboten, Informationen, Ausstellungen, einem Museum und einem Jugendwaldheim besteht. Hier werden jedes Jahr Tausende von Kindern nund Jugendlichen an das Thema Nationalpark herangeführt.
Nikos Avtzis, Leiter des nordgriechischen Nationalparks Rhodopen, zeigte zwar großes Interesse an einer Zusammenarbeit, allerdings reicht seine Kompetenz nur aus, um ein Austauschprogramm für die Naturparkwächter in die Wege zu leiten. Die zuständigen Kommunal- und Regionalvertreter fanden die Idee ansprechend, es war aber nicht abzusehen, ob sie auf das Angebot aus dem Harz eingehen werden.
Tourismus erfordert Zusammenarbeit
Die mangelnde Zusammenarbeit von Tourismusbehörden, Kommunen und Anbietern von Unterkünften beklagte Gabriela Schreiner. Die Wienerin, die seit 20 Jahren in Griechenland lebt, ist Mitglied des neu gegründeten Tourismusausschusses der Gemeinde Prespes am Länderdreieck Griechenland-Albanien-Republik Mazedonien. Dort fehlt es an vielem: an der Ausbildung touristischer Fachkräfte, an der öffentlichen Verkehrsanbindung und an den Möglichkeiten für einen grenzüberschreitenden Tourismus. Gabriela Schreiner erinnert sich, dass die Region 2003 an einer Reisemesse in Deutschland teilgenommen hatte. Das Angebot "Drei Länder - Zwei Seen - Ein Ziel“ kam bei den Reiseanbietern gut an. Zumal albanische, griechische und mazedonische Ortschaften nur ein paar Kilometer voneinander entfernt liegen. "Als dann aber die Frage aufkam, wie komme ich vom einen Ort zum anderen", musste sie ihnen sagen, "dass man wegen der Entfernung der Grenzübergänge 150 Kilometer zurücklegen muss". Das sei gar nicht gut angekommen.
Prespes möchte mit den deutschen Kommunen am Bodensee zusammenarbeiten, an dem außer Deutschland auch die Schweiz und Österreich angrenzen. Zwar wird man es nicht schaffen, die Zahl von 6,8 Millionen Touristen am fast doppelt so großen Bodensee zu erreichen, aber einige Hunderttausend wären auch nicht schlecht.
Von Agrotourismus bis barrierefreies Reisen
Die Ausweitung des Agrotourismus oder der Aufbau einer touristischen Infrastruktur in den Weingebieten mit Weingutbesichtigung, Festivals, Sehenswürdigkeiten, Camping-Plätzen, Spa - die Möglichkeiten für die Weiterentwicklung des griechischen Tourismusangebots sind unbegrenzt. Eine originelle Idee hatte die Stadt Komotini. Ihr Bürgermeister Giorgos Petridis berichtete, dass man bei der Überlegung, was seine Stadt anbieten könne, nach reinen Marktkriterien entschieden habe: "Welches Produkt ist nicht nur bei uns, sondern europaweit Mangelware?" So seien sie auf das Produkt "Tourismus für Behinderte" gestoßen. "Das ist ein riesiger Markt von Millionen unserer Mitbürger in Europa, die nach einem touristischen Reiseziel suchen", so Petridis. Damit aber dieses Reiseprodukt "zugänglich und attraktiv für diese Mitbürger ist, muss dieses Reiseziel mit der nötigen Infrastruktur ausgestattet sein".
Johann Norbert Kreiter, Berater für barrierefreien Tourismus und selbst Rollstuhlfahrer, sieht dort gute Ansätze: Es gäbe abgeflachte Bürgersteige, Rollstuhltoiletten, Lokale mit solchen Toiletten, an sämtlichen öffentlichen Gebäuden seien Rampen angebracht, die Sporthallen seien umgebaut. "Insofern", urteilt Kreiter, "ist der erste Schritt zur Barrierefreiheit getan". Das Entscheidende sei aber, dass die Bevölkerung dafür sensibilisiert werde. Was nutzen abgeflachte Bürgersteige, wenn Autos darauf parken?