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Der deutsche Arbeitsmarkt öffnet sich für Hochqualifizierte vorzeitig.

Daniel Kortschak5. August 2008

Ab 1. Januar 2009 können Akademiker aus Tschechien und den anderen sieben Ländern, die 2004 der EU beigetreten sind, in Deutschland arbeiten.

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Studenten arbeiten an den Computer-Arbeitsplätzen der neuen Bibliothek der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg (20.10.2003/dpa)
Hochqualifizierten Kräften aus Tschechien stehen alle Türen offenBild: picture-alliance/dpa

Die neue Regelung hat die Bundesregierung Mitte Juli in ihrem Aktionsprogramm zum Arbeitsmarkt beschlossen. Laut Heike Helfer vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales bedeute dies eine vorzeitige Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für die hochqualifizierten Akademiker und Akademikerinnen aus den EU-8-Staaten, also Dort wurde also jetzt der Arbeitsmarkt vorzeitig geöffnet.

Kritische Stimmen zur Öffnung

Am deutsch-polnischen Autobahngrenzübergang in Frankfurt (Oder) überprüfen ein Beamter der Bundespolizei und sein polnischer Kollege die Ausweispapiere eines Pkw-Fahrers (25.10.2007 / dpa)
Die Grenzen werden für Akademiker frühzeitig geöffnetBild: picture-alliance/dpa

Konkrete Unterlagen aus Deutschland fehlten dem tschechischen Arbeits- und Sozialministerium bis vor kurzem noch. Dennoch wurde schon vorher die Kritik laut, die nun von Deutschland geplante teilweise Öffnung des Arbeitsmarktes gehe nicht weit genug.

Dieser Kritik schließt sich auch Věra Kolmerová, Leiterin der Abteilung für Auslands-Beschäftigung, an. „Was die Öffnung des Arbeitsmarktes für Hochschulabsolventen aus Tschechien betrifft, die die deutsche Bundesregierung vorbereitet: Das ist wieder so eine halbe Öffnung des Arbeitsmarktes“, sagt Kolmerová. Außerdem sei das eine Art Schritt zur Abwanderung der Intelligenz aus Tschechien nach Deutschland, was scheine, als ob man das Beste aus dem Arbeitsmarkt eines anderen Staates herauspicken wolle. Für die Leiterin der Abteilung für Auslands-Beschäftigung ist dies keine glückliche Lösung.

Europäer haben weiter Vorrang

Eine Doktorandin zeigt Blut in Reganzröhrchen (16. Februar 2004 /AP)
EU-Bürger haben Vorrechte auf hochqualifizierte StellenBild: AP

Auch für Akademiker aus Drittstaaten, also Staaten, die nicht der EU angehören, soll es in Zukunft leichter werden, Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erhalten. Ein Beispiel ist die Senkung der Mindest-Einkommensgrenze, ab der man als so genannte Schlüsselarbeitskraft gilt, von derzeit rund 86.000 auf knapp 64.000 Euro.

Die so genannte Vorrang-Prüfung für Bewerber aus den Drittstaaten soll aber bleiben, so Pressesprecherin Helfer vom Bundesarbeitsministerium in Berlin. Dabei wird für die ganz konkrete Stelle überprüft, ob ein Deutscher oder auch ein anderer, den Deutschen gleichgestellter Arbeitnehmer vorrangig beschäftigt werden kann. Dies bedeute, so Helfer, dass EU-Bürger auch noch bevorrechtigt sind.

Kein Freifahrtschein

Blick auf die Autobahn kurz vor Freigabe eines 19 Kilometer langen Teilstueckes der Bundesautobahn A 17 / D 8 bei Bad Gottleuba direkt an der deutsch-tschechischen Grenze (21.12. 2006 /AP)
Freie Fahrt über die neue deutsch-tschechische AUtobahnverbindungBild: AP

Trotz der Öffnung des Arbeitsmarktes für Hochschulabsolventen aus den acht im Jahr 2004 der Europäischen Union beigetretenen Staaten hat sich die deutsche Bundesregierung aber auch entschlossen, die Zugangsbeschränkungen für alle übrigen Arbeitnehmer aus diesen Staaten noch bis April 2011 aufrecht zu erhalten und für Bürger aus Rumänien und Bulgarien, die der EU 2007 beigetreten sind, sogar noch bis Ende des Jahres 2011.

Nach Einschätzung von Pressesprecherin Helfer, ist der Bedarf von qualifizierten Fachkräften unterhalb dieser Ebene der Hochqualifizierten, der Hochschulabsolventen, als nicht so groß angesehen wird. Deswegen wolle man da zunächst, um einheimische Arbeitskräfte zu schützen, den Arbeitsmarkt noch nicht komplett öffnen. „Da ist die Vorstellung die, dass man noch ein Potenzial hat in Deutschland, so dass man hier noch den Fachkräftebedarf decken kann.“, so Heike Helfer.

Handwerker dringend gesucht

Věra Kolmerová vom tschechischen Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten sieht die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt hingegen anders. Dies löse nicht die Probleme der deutschen Arbeitgeber, die vor allem Facharbeiter benötigten. Die Meldungen über den Bedarf an solchen Arbeitskräften kämen vor allem aus dem Grenzgebiet, wo es ein starkes Interesse deutscher Arbeitgeber an qualifizierten Leuten gebe, besonders in Handwerksberufen wie etwa Schneider oder Installateure, aber natürlich auch in weiteren Berufen, etwa im Baugewerbe.

Soweit Kolmerová weiß, müsse die deutsche Bundesregierung bis April 2009 begründen, warum sie ihren Arbeitsmarkt für Bürger aus den so genannten neuen EU-Mitgliedsländern weiterhin verschlossen hält. Sie müsse auch begründete Beweise dafür vorlegen, dass Bewerber aus diesen Ländern den deutschen Arbeitsmarkt überfluten. Ihrer Erfahrung nach seien gerade Tschechen bei der Suche nach Arbeit nicht sehr mobil, weshalb das Land eine sehr geringe Arbeitsmigration verzeichne.

Deutsch auf Platz drei der Rangliste

Ein Schild mit der Aufschrift "Halt! Hier Grenze!" (8.8.2001)
Neben Deutschland gibt es die Beschränkungen des Arbeitsmarkts nur noch in Österreich und BelgienBild: dpa

Diejenigen, die es dennoch zum Arbeiten ins Ausland gezogen habe, seien längst weg: In Irland etwa oder in Großbritannien, aber auch in allen anderen EU-Staaten, die ihre Arbeitsmärkte frühzeitig geöffnet haben. Hinzu komme, dass die meisten Tschechen englisch oder französisch sprächen. Deutsch liege auf der Rangliste der beliebtesten Fremdsprachen unter jungen Tschechen erst auf dem dritten Rang, so Kolmerová weiter.

Die Regierungskoalition aus rechtsliberalen Bürgerdemokraten, Grünen und Christdemokraten hat bereits wiederholt gefordert die Übergangsbestimmungen aufzuheben, die es den so genannten alten EU-Mitgliedsstaaten ermöglichen, ihren Arbeitsmarkt für Bewerber aus den neuen Mitgliedsländern abzuschirmen. Neben Deutschland gibt es diese Einschränkungen nur noch Österreich und Belgien. Tschechien hingegen verweist auf die EU-Grundfreiheiten und fordert eine Gleichbehandlung aller Länder innerhalb der Union. Immerhin habe auch Tschechien keinerlei Beschränkungen auf seinem Arbeitsmarkt eingeführt, auch nicht für die EU-Neulinge Rumänien und Bulgarien. Anzunehmen ist, dass Premierminister Mirek Topolánek und seine Minister diese Frage auch während der EU-Ratspräsidentschaft des Landes im ersten Halbjahr 2009 zum Thema machen werden.