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Tsipras setzt auf Kontinuität

Jannis Papadimitriou, Athen23. September 2015

In Griechenland hat der Linkspremier seine neue Regierung vorgestellt. Große Überraschungen bleiben aus - die bisherige Besatzung soll das Schiff auch weiter durch die Krise steuern. Aus Athen: Jannis Papadimitriou.

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Griechenland Alexis Tsipras mit Panos Kammenos Koalitionsgespräche
Bild: picture-alliance/AP Photo/L. Pitarakis

Deutlich länger als erwartet dauerten die internen Beratungen der regierenden Linkspartei Syriza sowie die Sondierungsgespräche mit dem rechtspopulistischen Koalitionspartner ANEL. Kurz vor Mitternacht dann die Bestätigung: Die neue Regierung von Alexis Tsipras steht.

Große Veränderungen stehen nicht an: Euklid Tsakalotos bleibt Finanzminister, Nikos Kotzias wird erneut Außenminister, ANEL-Chef Panos Kamenos darf weiterhin das Verteidigungsministerium führen.

Keine Außenseiter in der Regierung

Einen Personalwechsel gab es unter anderem in den Ressorts Innenpolitik, Erziehung, Gesundheit und Umwelt. Außen vor bleibt Rechtsprofessor Jannis Panoussis, der in der ersten Syriza-Regierung das Ressort für öffentliche Ordnung innehatte und im letzten Wahlkampf als einziger Linkspolitiker wagte, offen für eine Große Koalition mit der konservativen Opposition einzutreten.

„Bei der neuen Regierung geht es vermutlich vor allem darum, innerparteiliche Gleichgewichte auszutarieren“, klagt Alexis Papachelas, Herausgeber der Athener Zeitung Kathimerini. Es sei schade, dass Minister ausscheiden, die sich wie Panoussis in ihrem Zuständigkeitsbereich gut auskennen. Das sei kein gutes Zeichen für die Regierung insgesamt, sagt Papachelas. Andererseits: „Wir müssen optimistisch bleiben - es wäre nämlich schlecht für unser Land, wenn diese Regierung scheitert.“

Bekannte Gesichter im Finanzministerium

Vor allem das weitere Engagement von Finanzminister Tsakalotos dürften die internationalen Kreditgeber als gutes Zeichen werten. Erst Im April ernannte Tsipras den 55-jährigen zum neuen Chefunterhändler Griechenlands mit den EU-Partnern und entmachtete dadurch den damaligen Finanzminister Yanis Varoufakis. Nur drei Monate später übernahm Tsakalotos auch das Szepter im Athener Finanzministerium. Anders als sein Vorgänger Varoufakis gilt er als konziliant und verbindlich. Der Ökonom blickt auf eine langjährige Lehrtätigkeit in Griechenland und Großbritannien zurück. Seit dem Sommer 2012 sitzt er für Syriza im griechischen Parlament.

Griechischer Finanzminister Euklid Tsakalotos
Heißt Euklid, kann gut mit Zahlen umgehen: Griechenlands alter und neuer FinanzministerBild: Reuters/François Lenoir

Dringende Prioritäten für die nächsten Monate erläuterte Tsakalotos im Interview mit der Zeitung Kathimerini kurz vor der jüngsten Parlamentswahl: Eine erfolgreiche Überprüfung der Reformfortschritte durch die Geldgeber, die Rekapitalisierung der Banken sowie eine „Lösung“ für die griechischen Schulden.

Neu im Kabinett: ein "unbekannter Held"

Für Aufsehen sorgt die Verpflichtung des jungen Wirtschaftsprofessors Jorgos Chouliarakis, der an der Seite von Tsakalotos als stellvertretender Finanzminister tätig wird. „Das ist doch ein Team, das wirklich zusammenarbeiten kann, die beiden haben praktisch ähnliche Ansichten“ kommentiert Politjournalist Antonis Dellatolas im griechischen Fernsehen. Chouliarakis hat Ökonomie in Großbritannien gelehrt und wurde erstmals beim Antrittsbesuch von Premier Tsipras in Berlin einer breiten Öffentlichkeit bekannt.

Dem Vernehmen nach soll er auch das Vertrauen der Geldgeber genießen. Griechische Medien bezeichnen ihn gelegentlich als „unbekannten Helden der Verhandlung“ mit den Kreditgebern. Während des Wahlkampfes hat der Ökonom übergangsweise das Finanzressort geleitet. Nun wird er stellvertretender Minister, zuständig für die Staatsausgaben - genauer gesagt: Für deren Kürzung. Auf das neue Team im Athener Finanzministerium warten besonders anspruchsvolle Aufgaben, mahnt Panagiotis Korlyras, Wirtschaftsprofessor an der Universität Athen, im Staatsfernsehen ERT. „Griechenland hat keine andere Wahl als die zugesagten Sparmaßnahmen auch umzusetzen." Dazu kommen für Korlyras zwei weitere, wichtige Herausforderungen: Der Haushaltsentwurf für 2016 sowie die mittelfristige Finanzplanung bis Ende 2018. Beides muss man sofort anpacken.“

Griechenland Flüchtlinge bei Lesbos
Um sie kümmert sich nun ein neuer Minister: Flüchtlinge auf einer der griechischen InselnBild: Reuters/Y. Behrakis

Neustart in der Flüchtlingspolitik

Die Gründung eines neuen Ressorts für Einwanderungspolitik im Januar sollte eine Entscheidung mit Signalwirkung sein, doch deren praktische Umsetzung lässt bis heute viel zu wünschen übrig: Mit den wachsenden Flüchtlingsströmen war Griechenland überfordert, EU-Gelder wurden anscheinend nicht abgerufen. Zudem machte die zuständige Syriza-Ministerin Tassia Christodoulopoulou keine gute Figur im Amt und reagierte oft gereizt auf Kritik. Nun versucht Alexis Tsipras den Neustart: Jannis Mouzalas, ein Arzt und Aktivist, der das Ressort in den vergangenen drei Wochen übergangsweise geleitet hat, darf länger im Amt bleiben.