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Reform des Weltfinanzsystems

6. Oktober 2011

Die Chefs der Weltfinanzinstitutionen trafen sich in Deutschland, um über die Reform des Weltwährungssystems zu reden. Im Fokus: Verkehrsregeln für das Kapital - aber auch die Misere in Europas Bankensektor.

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Christine Lagarde und Angela Merkel (Foto: dapd)
Spitzentreffen im Berliner Kanzleramt: Christine Lagarde und Angela MerkelBild: dapd

Mehr Prominenz hat das Weltwährungssystem derzeit kaum zu bieten. Auf Einladung der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fand in Berlin ein Vorbereitungstreffen für den G-20-Gipfel im französischen Cannes Anfang November statt. Dort treffen sich die Vertreter der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Mit von der Partie am Donnerstag (06.10.2011) in Berlin: das Führungspersonal von Internationalem Währungsfonds (IWF), Weltbank, Europäischer Zentralbank (EZB) und OECD sowie die Finanzminister Deutschlands, Frankreichs, Brasiliens und Mexikos. Ihr Auftrag: nichts weniger als die grundlegende Reform des Weltwährungssystems, für die jetzt Anlauf genommen werden soll.

Besser Banken als Staaten retten

Jean-Claude Trichet (Foto: dpad)
Jean-Claude TrichetBild: dapd

Doch für große Entwürfe scheint die Zeit noch nicht reif. Die europäische Staatsschuldenkrise, der drohende Staatsbankrott in Griechenland und die dadurch zuletzt wieder gewachsene Gefahr einer erneuten Bankenkrise in Europa beherrschten die Agenda. Die Lage des Bankensektors erfordere "besondere Wachsamkeit", sagte der aus dem Amt scheidende Chef der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet. Der Rat der Europäischen Zentralbank entschied deshalb am Donnerstag bei einem Sondertreffen ebenfalls in Berlin, zwei milliardenschwere Zusatzprogramme für den Bankensektor im Euro-Raum aufzulegen. Zudem kündigte EZB-Präsident Trichet ein neues Ankaufprogramm für Staatanleihen im Wert von 40 Milliarden Euro an. Der Leitzins im Euro-Raum blieb unterdessen bei 1,5 Prozent.

Bundeskanzlerin Angela Merkel warb erneut für neue Finanzspritzen für in Schieflage geratene Finanzinstitute. "Wenn die Notwendigkeit dafür besteht, dann ist es vernünftig investiertes Geld, und wir sollten nicht zögern, weil die Schäden ansonsten um Größenordnungen höher sind", sagte Merkel und erntete Zuspruch vom versammelten Spitzenpersonal. Zuletzt waren die Sorgen gewachsen, dass Europas Banken bald neues Geld brauchten. Frankreich und Belgien arbeiteten derzeit an der Abwicklung der Großbank Dexia, die sich auf Staatsanleihen der hochverschuldeten Staaten Südeuropas spezialisiert hatte. Die Ratingagentur Moody's senkte zuletzt die Kreditwürdigkeit der beiden größten Finanzinstitute Italiens. Die Bundeskanzlerin unterstrich allerdings, dass der vergrößerte Euro-Rettungsschirm EFSF nur dann Banken mit Geld ausstatten solle, wenn die Stabilität der Euro-Zone als ganzes gefährdet sei.

Leitwährung Dollar steht vor der Ablösung

Neben der Euro-Schuldenkrise wurden dann aber auch noch Stabilisierungsmaßnahmen gegen zukünftige weltweite Finanzkrisen besprochen. Bundeskanzlerin Merkel hob hervor, dass das internationale Währungssystem sich derzeit "im Übergang" befinde. Dabei werde die Leitwährung Dollar zunehmend von einem "multipolaren" Währungsverbund abgelöst.

Robert Zoellick (Foto: dapd)
Robert ZoellickBild: dapd

Weltbank-Präsident Robert Zoellick fügte hinzu, dass die zu große Abhängigkeit von der Reservewährung Dollar vielfach Finanzkrisen sogar verschärft habe. Sein Beispiel: der Beginn der Asienkrise 1997 in Thailand. Das südostasiatische Land hatte seine Schulden in Dollar aufgenommen und konnte diese nach einer massiven Abwertung seiner eigenen Währung nicht mehr zurückzahlen. Ein Schlüssel zu mehr Stabilität seien deshalb regionale Anleihemärkte, in denen vor allem Schwellen- und Entwicklungsländer Staatsschulden in ihrer eigenen Währung aufnehmen können, sagte Zoellick.

OECD-Generalsekretär Ángel Gurria wies auf die massive Zunahme internationaler Kapitalströme vor allem in aufstrebenden Schwellenländern hin. Ein vordergründig erfreulicher Trend, der aber Schattenseiten mit sich bringe. "Diese massiven Kapitalströme verursachen Blasen im Immobiliensektor, Blasen an der Börse und vor allem führen sie zu einer deutlichen Aufwertung der jeweiligen Landeswährung", sagte Gurria. Länder wie Mexiko, Chile, Indien oder Korea würde es deshalb zunehmend schwer fallen, mit ihren Produkten konkurrenzfähig zu bleiben. Auch im Rahmen des G-20-Finanzministertreffens im November sollen deshalb Verkehrskontrollen für Kapitalflüsse debattiert werden. In Berlin sagte die deutsche Bundeskanzlerin aber, dass es "die übereinstimmende Meinung war, dass Kapitalverkehrskontrollen ein letztes Mittel sind". Denn eigentlich sei ein freier Kapitalverkehr unverzichtbar, fügte die Kanzlerin hinzu.

Zum Schluss des Treffens ermunterte Weltbank-Präsident Zoellick vor allem die Schuldenstaaten Europas, auch über unkonventionelle Wege zur Schuldentilgung nachzudenken. So werde in Kenia beispielsweise gerade ein staatliches Schuldentilgungssystem ausprobiert, das Schule machen könnte. "Sparer können in Kenia über ihr Mobilfunkgerät Staatsanleihen kaufen, was vor allem der ärmeren Bevölkerung Zugang zum Kapitalmarkt verschafft, den Staaten aber neue Quellen zur Schuldentilgung eröffnet", sagte Zoellick. Angesichts der Dimension des europäischen Schuldenproblems, wohl eine Anmerkung mit einem leichten Augenzwinkern.

Autor: Richard A. Fuchs

Redaktion: Friederike Schulz / Christian Walz