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Hoffnung für Migrantinnen

Stefan Dietrich12. Juli 2007

In Berlin findet der zweite Integrationsgipfel der Bundesregierung statt. Die konkrete Integrationsarbeit leisten oft kleine Institutionen vor Ort - wie die Migrantinnen-Beratungsstelle AGISRA in Köln.

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Migrantinnen-Beraterin Jae Soon Joo-Schauen in ihrem Büro Quelle: DW
Migrantinnen-Beraterin Jae Soon Joo-SchauenBild: Stefan Dietrich

Als Marjan (Name geändert) letztes Jahr im August zum ersten Mal in die Beratungsstelle kam, war sie völlig verzweifelt. Sie war krank, isoliert, hatte keine Arbeit und kein Aufenthaltsrecht. Nun sitzt sie wieder hier, im Beratungszimmer der Migrantinnen- und Flüchtlingsfrauenberatungsstelle AGISRA. "Jetzt habe ich eine ruhige Seele", sagt Marjan. Sie hofft, demnächst ein Aufenthaltsrecht zu bekommen.

Seit Marjan vor elf Jahren nach Deutschland kam, fürchtet sie die Ausweisung. Im Iran hat sie keine Angehörigen mehr, außerdem hat sie sich gegen die iranische Regierung engagiert, als sie nach Deutschland kam. Hier ist sie nur geduldet, darf nicht arbeiten oder unangemeldet reisen. Ähnlich geht es vielen der über 400 Frauen, die jährlich in die Beratungsstelle in Köln-Nippes kommen.

Migrantinnen beraten Migrantinnen

In einem alten Schulgebäude hat AGISRA (Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung) mehrere Beratungszimmer mit gemütlichen Sofas und Sesseln eingerichtet. Sieben Mitarbeiterinnen - selbst Migrantinnen - beraten die Klientinnen in elf Sprachen. "Wir haben Verständnis für die Migrantinnen, weil wir dasselbe erlebt haben", sagt Beraterin Jae Soon Joo-Schauen, die als Arbeitsmigrantin aus Korea kam. Als AGISRA 1983 in Frankfurt am Main gegründet wurde, richtete sich das Angebot vor allem an Opfer von Menschenhandel. Das 1993 in Köln gegründete Büro kümmert sich auch um Frauen, die unter häuslicher Gewalt leiden. Oder um Mädchen, die eine Zwangsheirat fürchten. Und eben auch um von Abschiebung bedrohte Frauen - wie Marjan. Migrantinnen erhalten hier nicht nur Rat, sondern auch therapeutische Hilfe. Angst, Depression, Isolation - das sind einige der psychischen Schwierigkeiten, unter denen die Frauen leiden.

Auch Marjan hatte Depressionen, die Situation im Asylantenheim machte die sensible Frau krank. Eigentlich wollte sie in Deutschland das Fachabitur nachmachen; ihr iranischer Abschluss wurde in Deutschland nicht anerkannt. Aber sie brach die Ausbildung ab - "ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich bin Tag und Nacht nur noch im Zimmer geblieben und habe über die Vergangenheit nachgedacht." Dann empfahl ihr eine Freundin die Beratungsstelle. Jede Woche sprach sie mit den Beraterinnen Jae Soon Joo-Schauen und Behshida Najafi. Schließlich schöpfte sie wieder Hoffnung.

Unterstützung bei Behördengängen

"Die Frauen haben viel zu bewältigen", sagt die Therapeutin Joo-Schauen. "Die Isolation ist für viele ein großes Problem." Viele Frauen haben auch Angst vor den Behörden. "Ich habe immer geweint, wenn ich zum Ausländeramt musste. Ich habe geträumt, ich muss zurück nach Iran und werde umgebracht", erinnert sich Marjan.

Eine türkische Frau schreibt das Wort "Integration" an eine Schultafel Quelle: AP
Sprachkenntnisse - Voraussetzung für IntegrationBild: dpa

Joo-Schauen und ihre Kolleginnen begleiten deshalb Frauen auch auf Behördengängen. Sie weisen die Klientinnen auf ihre Rechte hin - und sie zeigen ihnen, dass sie selbst etwas können. "Sie bekommen sonst immer gesagt, was sie nicht können", erklärt Joo-Schauen. "Wir versuchen in Gesprächen herauszufinden, welche Talente die Frauen haben."

"Blumen bedeuten Hoffnung"

Marjan hat ein besonderes Talent - sie kann malen. Im Iran hatte sie ein Grafik-Fachabitur gemacht, aber durch die Depression hatte sie "alles verlernt, keine Energie mehr". Die Beraterinnen ermutigten sie, einen Malkurs anzubieten. Der Kurs kam zustande - und alle seien begeistert gewesen, erzählt Marjan stolz. "Malen ist wie eine Therapie für mich", sagt sie heute. Sie malt jetzt jeden Tag und hofft, irgendwann davon leben zu können.

Zunächst aber musste sie sich eine richtige Arbeitsstelle suchen. Eine neue Bleiberechtsregelung ermöglicht ihr ein Aufenthaltsrecht, wenn sie Arbeit findet. Vor kurzem hat sie endlich einen Arbeitgeber gefunden - ein Fast-Food-Restaurant. "Jetzt kann ich wieder frei atmen", sagt sie. Nach Feierabend aber möchte sie weiter malen, sagt Marjan, und zeigt Fotografien ihrer Bilder - Sonnenblumen und Rosen. "Blumen bedeuten neue Hoffnung." Die hat sie durch die Hilfe von AGISRA bekommen.