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Neue Gewalteskalation in Bahrain

Andreas Gorzewski21. Februar 2014

Die Auseinandersetzungen im Golfstaat Bahrain flammen seit drei Jahren immer wieder auf. Zehntausende demonstrieren gegen die Regierung. Ein Todesurteil gegen einen Regierungsgegner verschärft die jüngsten Spannungen.

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Demonstration im Januar 2014 in Bahrain
Bild: Reuters

Die politischen Auseinandersetzungen in dem kleinen Golfstaat Bahrain haben sich erneut zugespitzt. Drei Jahre nach dem Beginn der Proteste gegen die Regierung des Königreichs brennen erneut Barrikaden. Demonstranten und Polizisten werden bei Straßenschlachten verletzt. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte sich besorgt über die Gewalt und rief zu einem nationalen Dialog auf. Doch Bombenanschläge auf Polizeikräfte wecken Befürchtungen vor einer Radikalisierung der bislang überwiegend friedlichen Opposition. Zusätzlich aufgeheizt wird die Stimmung durch das Todesurteil am Mittwoch (19.02.2014) gegen den Regierungsgegner Maher al-Chabaz. Er soll für die tödlichen Verletzungen eines Polizisten bei Unruhen im vergangenen Jahr mitverantwortlich sein. Die Sicherheitskräfte versuchen derweil, mit einem massiven Aufgebot die Lage zu kontrollieren, während Formel-1-Piloten in Bahrain ihre Fahrzeuge für die neue Rennsaison testen.

Die Proteste gegen Mitglieder des Königshauses hatten vor drei Jahren begonnen. Damals hatten die Unruhen des Arabischen Frühlings auch den Inselstaat von der Größe Hamburgs erfasst. Zehntausende waren gegen Korruption und Regierungswillkür auf die Straßen gegangen. Als Polizeikräfte den symbolträchtigen Perlen-Platz in der Hauptstadt Manama stürmten, starben die ersten Demonstranten. Die anderen Golfmonarchien verfolgten die Entwicklung mit Sorge. Sie wollten um jeden Preis verhindern, dass Aufstände wie in Ägypten oder Tunesien auch in ihrer Nachbarschaft Regierungen stürzen. Deshalb schickte Saudi-Arabien Truppen. Dennoch blieb die Lage angespannt. 2011 wurde wegen der schwierigen Sicherheitslage in Bahrain sogar das Formel-1-Rennen abgesagt.

Tränengas und Schrot gegen Demonstranten

Am 14. Februar 2014, dem dritten Jahrestag der Unruhen, waren etwa 50.000 Demonstranten durch Manama und andere Orte gezogen. "Die brutale Antwort der Sicherheitskräfte waren mehr als 40 Verletzte. Die Regierung ließ mindestens 55 Protestierende festnehmen", berichtet Mohammed al-Miskati, Präsident der Menschenrechtsorganisation "Bahrain Youth Society for Human Rights". Die Sicherheitskräfte hätten Tränengas, Blendgranaten und Schrotmunition eingesetzt, erzählt Al-Miskati im DW-Gespräch.

Bei den Unruhen in Bahrain im Februar 2014 zerstörter Kleinbus (Foto: Reuters)
Immer wieder kommt es zu StraßenschlachtenBild: Reuters

Das bahrainische Herrscherhaus der Al-Chalifa ist sunnitisch, die Mehrheit der Bevölkerung dagegen schiitisch. Vor allem schiitische Jugendliche fühlen sich diskriminiert und begehren gegen die Staatsmacht auf. Nach Ansicht von Al-Miskati spielt die Konfession eigentlich keine Rolle in dem Konflikt. So gebe es sowohl auf Regierungs- als auch auf Oppositionsseite Sunniten wie Schiiten. Die Regierung versuche jedoch über staatliche Medien, die Auseinandersetzungen als religiös motiviert darzustellen.

Regierung geht gegen Schiiten vor

Die Sicherheitskräfte sind in den vergangenen Tagen erneut gegen schiitische Institutionen vorgegangen. In die größte schiitische Moschee des Landes wurde Tränengas gefeuert. Außerdem wurde ein Gelehrtenrat dieser Konfession offiziell verboten. Auch die größte politische Partei des Landes, die schiitische Al-Wifak, ist immer wieder im Visier der Sicherheitsbehörden. Der Vize-Generalsekretär von Al-Wifak, Chalil al-Marsuk, schimpft auf die Regierung: "Alles, was wir sehen, ist eine Fortsetzung der Unterdrückung." Al-Marsuk zufolge stützt sich die Anklage gegen den zum Tode verurteilten Aktivisten ausschließlich auf geheime Informationsquellen und ein unter Folter erpresstes Geständnis. Auch der ranghohe Parteivertreter Al-Marsuk war 2013 schon einmal in Haft, weil er mit einer Rede zu Unruhen angestachelt haben soll.

Anhängerinnen der Al-Wifak-Partei demonstrieren mit Fahnen und Plakaten gegen die Regierung in Bahrain (Foto: Reuters)
An Demonstrationen gegen die Regierung nehmen häufig Tausende teilBild: Reuters

Laut Verfassung ist Bahrain eine Monarchie mit einem gewählten Unterhaus mit 40 Abgeordneten. Doch das Königshaus hat in allen Bereichen des Staates die Kontrolle. "Die politischen Parteien wollen eine umfassende Demokratie mit einem Parlament mit vollen Befugnissen", erklärt Al-Marsuk. Außerdem wollten sie eine unabhängige Justiz.

Der Politiker hofft auf eine Wiederbelebung des festgefahrenen nationalen Dialogs. Immer wieder stocken die Gespräche zwischen verschiedenen bahrainischen Gruppen. "Wir hoffen, dass die Initiative des Kronprinzen sich als ernsthaft erweist und dass es zukünftig Treffen geben wird", sagt er. Ein letztes Gespräch im Januar hatte keine wesentliche Annäherung erbracht.

Sorge vor weiteren Anschlägen

Einige Regierungsgegner haben die Hoffnung auf eine demokratische Öffnung des Systems im Sinne einer echten konstitutionellen Monarchie offenbar aufgegeben. Bei Demonstrationen sind auch Rufe nach einem Sturz der Monarchie zu hören. Außerdem ist die Auseinandersetzung gewalttätiger geworden. Bei zwei Bombenanschlägen auf Polizisten starb nach Angaben des Innenministeriums ein Beamter, sieben weitere wurden verletzt. Das Ministerium bezeichnete die Angriffe als "städtische Guerillakriegstaktik". Staatliche Medien sprachen von Terrorakten.

Bereitschaftspolizisten patroullieren im Februar 2014 durch ein Dorf bei Manama (Foto: Reuters)
Ein massives Polizeiaufgebot soll gegen die Unruhen vorgehenBild: Reuters

Solche Vorfälle ließen sich nicht überprüfen, erklärt Menschenrechtler Al-Miskati. Zu den Bombenexplosionen gebe es keine unabhängigen Informationen, sondern nur Angaben der Behörden. Deshalb hält er sich mit einer Bewertung zurück. Allerdings sorgt sich auch der Präsident der "Bahrain Youth Society for Human Rights" vor weiterer Gewalt als Reaktion auf das staatliche Vorgehen. "Je mehr Menschen unterdrückt werden, umso mehr werden radikalisiert", befürchtet Al-Miskati. "Wenn das noch ein Jahr so weiter geht, werden mir mehr Menschen sehen, die gewalttätig und radikal werden."