1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Anti-Terror-Gesetze: Pro & Contra

Marcel Fürstenau24. März 2015

Sicherheitsbehörden warnen mehr denn je vor islamistischen Anschlägen. Deshalb will die große Koalition Gesetze verschärfen. Viele Experten bezweifeln, dass die Pläne verfassungskonform und überhaupt nötig sind.

https://p.dw.com/p/1EwMv
Kämpfer bei Schießübungen in einem syrischen Terrorcamp (Foto: AP/picture alliance)
Bild: picture-allianceAP Photo

Zehn Jahre Höchststrafe für die Teilnahme an einem Terrortrainingslager oder die mutmaßliche Finanzierung von Anschlägen? Juristisch kein Problem, denn seit 2009 gibt es im Strafgesetzbuch den Paragrafen 89a: "Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat", der diese Straftaten ahndet. Im Grundsatz hätten sich die rechtlichen Instrumente "als geeignet erwiesen, um auf die Entwicklungen des internationalen Terrorismus in Deutschland angemessen reagieren zu können". Diese Beurteilung findet sich in einem Gesetzentwurf, den Konservative und Sozialdemokraten vorgelegt haben. Ihr Ziel: Das bestehende Gesetz zu verschärfen.

Warum aber wollen die Regierungsfraktionen ein Gesetz reformieren, dass sich ihrer Einschätzung zufolge bewährt hat? CDU/CSU und SPD verweisen auf die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen im vergangenen September verabschiedete Resolution 2178. Darin geht es um das Phänomen der ausländischen terroristischen Kämpfer ("foreign terrorist fighters"). Sicherheitsbehörden verstehen darunter überwiegend junge Männer, die sich in Terrorcamps ausbilden lassen und in den sogenannten Heiligen Krieg ziehen. Allein aus Deutschland seien 650 Islamisten Richtung Syrien und Irak gereist, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Holger Münch, unlängst in einer parlamentarischen Anhörung.

Zielgruppe: IS-Unterstützer

Künftig soll es schon strafbar sein, wenn die beschuldigte Person eine Reise beabsichtigt, "um terroristische Handlungen zu begehen, zu planen, vorzubereiten oder sich daran zu beteiligen oder Terroristen auszubilden oder sich zu Terroristen ausbilden zu lassen". Das ebenfalls bereits strafbewehrte Delikt "Terrorfinanzierung" soll in der neuen Fassung des Paragrafen 89 klarer herausgestellt werden. Konkret geht es um Spenden und andere Formen von Zuwendungen, die wissentlich für gravierende Straftaten bereitgestellt werden. Genannt werden unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Geiselnahme. Dass als potenzielle Profiteure Terrororganisationen wie der "Islamische Staat" (IS) erwähnt werden, ist ein offener Hinweis auf die Stoßrichtung des Gesetzentwurfes.

BKA-Präsindet Holger Münch (Foto: dpa/picture alliance)
Für schärfere Gesetze: BKA-Präsident Holger Münch und seine TerrorexpertenBild: picture alliance/dpa/Fredrik von Erichsen

Das BKA begrüßt die beabsichtigten Verschärfungen. Es gebe Anhaltspunkte, dass sich aus Deutschland stammende "foreign figthers" in Syrien an Erschießungen und Entführungen beteiligten. Das sagte BKA-Experte Sven Kurenbach zu Wochenbeginn in einer Anhörung des Bundestags-Rechtsausschusses. Der Leitende Kriminaldirektor kennt sich mit dem Thema aus. Er war Ermittler im Fall der sogenannten Sauerland-Gruppe, die in Deutschland Anschläge auf Einrichtungen des US-Militärs geplant hatte. Auch aus Kurenbachs Sicht haben sich die bestehenden Anti-Terror-Gesetze bewährt und hätten Anklagen ermöglicht. Wegen der "kontinuierlich" steigenden Zahl von ausreisenden Terrorverdächtigen befürwortet er aber die geplanten Änderungen.

Strafrechtler: Reiseverbote ausreichend

Ähnlich argumentiert der stellvertretende Generalbundesanwalt Rainer Griesbaum, der auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat. Ganz anders bewertet der Strafrechtsexperte Nikolaos Gazeas von der Universität Köln die beabsichtigte Reform des Terrorparagrafen. Schon die Reiseabsicht als Straftat zu definieren, wäre seines Erachtens ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit und mit dem "Tatschuldprinzip" kaum in Einklang zu bringen. Gazeas empfiehlt dem Gesetzgeber, im begründeten Verdachtsfall geltendes Recht anzuwenden und ein Ausreiseverbot auszusprechen.

Handschellen und ein Reisepass symbolisieren die geplanten Anti-Terror-Gesetze (Foto: imago/bonn sequenz)
Haft statt Ausreise - durchaus möglich, wenn der Gesetzentwurf geltendes Recht werden sollteBild: imago/bonn-sequenz

Gazeas hält schärfere Gesetze auch kaum für anwendbar. Der Vorsatz einer Straftat müsse erkennbar sein, verlange der Bundesgerichtshof. Ein Beschuldigter könnte aber einfach behaupten, aus Neugier beispielsweise nach Syrien reisen zu wollen. Problematisch findet der Strafrechtler zudem die Rolle des UN-Sicherheitsrates, auf deren Resolution die Befürworter der Gesetzespläne verweisen. Der Sicherheitsrat stilisiere sich als "Weltsicherheitsgesetzgeber", meint Gazeas.

Strafverteidigerin: Nachteile für den Rechtsstaat

Anke Müller-Jakobsen von der Bundesrechtsanwaltskammer teilt die erheblichen Bedenken ihres Kollegen. Ihr sei bewusst, als Kritikerin von präventiven Strafgesetzen im Verdacht zu stehen, die Gefahren des Terrorismus zu verharmlosen. Aber auch der liberale Rechtsstaat müsse geschützt werden. Mit dem von Union und SPD vorgelegten Gesetzesentwurf würden die Grenzen zwischen Prävention und Repression aufgehoben, sagte die Berliner Strafverteidigerin. "Wir stellen ja auch keinen Messerkauf unter Strafe, auch wenn damit die Absicht bestünde, der Ehefrau körperlich zu Leibe zu rücken."

Der Gesetzesentwurf sei "insgesamt sinnvoll", meint hingegen der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Rolf Raum. Es würden Lücken geschlossen. Er teile die Bedenken nicht, dass Vorbereitungsstrafbarkeit per se nicht verfassungsrechtlich sei. Es gehe um die Zielrichtung eines Ausreisenden. Mit dieser Argumentation können die Kritiker nichts anfangen. Rechtsanwältin Müller-Jakobsen: "Wir können ja nicht in die Köpfe schauen."