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Netzer droht Zwanziger mit Klage

27. Oktober 2015

Günter Netzer geht juristisch gegen Theo Zwanziger vor. Der erhebt weitere Vorwürfe gegen seinen Nachfolger, DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Dieser widerum will dem Bundestag vorerst nicht Rede und Antwort stehen.

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Deutschland Günter Netzer in Hoffenheim
Bild: picture alliance/Eibner-Pressefoto

Die wilde Schlammschlacht um die Sommermärchen-Affäre entwickelt sich voraussichtlich zum Fall für die Gerichte. Günter Netzer, der damals im WM-Organisationsteam 2006 arbeitete, geht juristisch gegen Theo Zwanziger vor und droht dem früheren DFB-Präsidenten mit Klage. Zwanziger soll bis Fristablauf am Freitag 14.00 Uhr (MEZ) erklären, er werde künftig nicht mehr behaupten, Netzer habe ihm von einem Stimmenkauf für die Vergabe der WM 2006 berichtet.

Wenn Zwanziger bei seiner Behauptung gegen Netzer bleibt, soll eine Unterlassungsklage folgen. "Entweder er verpflichtet sich, die Verleumdungen künftig zu unterlassen oder er muss sich vor Gericht verantworten. Die Wahl liegt bei ihm", sagte Netzers Anwalt Ralf Höcker der Deutsche Presse-Agentur DPA.

Zwanziger unbeeindruckt

Zugleich führte Höcker an, dass Netzers Frau bei dem Treffen im Herbst 2012 mit am Tisch gesessen habe und den Inhalt der Unterredung auch bezeugen könne. "Sie kann bezeugen, dass Zwanziger lügt", sagte der Jurist der "Süddeutschen Zeitung". Netzer betonte: "Ich weiß, dass ich solche Verleumdungen leider noch aufwerte, wenn ich den Rechtsweg beschreite. Aber es gibt einen Punkt, an dem man so etwas nicht mehr einfach ignorieren kann. Und der ist jetzt gekommen."

Zwanziger, selbst Jurist, zeigte sich unbeeindruckt von der drohenden Klage. "Es ist sein gutes Recht, seinen Standpunkt auf diesem Wege zu vertreten, wichtiger wäre es allerdings zur Aufklärung beizutragen", sagte er der 70-Jährige setzte zugleich seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach mit weiteren Anschuldigungen unter Druck.

Niersbach unter Druck

"Es war 2002 kein Alleingang von Franz Beckenbauer, die Führungsspitze des OK war eingeweiht, also Wolfgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Fedor Radmann", so Zwanziger. Als Kronzeugen benennt der ehemalige Chef des Deutschen Fußball-Bundes den damaligen Organisationskomitee-Vorsitzenden Franz Beckenbauer. Der hatte am späten Montagnachmittag im Zusammenhang mit der Überweisung an FIFA-Finanzkommission einen "Fehler" eingestanden und eine Erklärung abgegeben, doch wirklich klar wurde dadurch nichts.

Deutschland Organisationskomitee der Fußball-Weltmeisterschaft 2006
Das WM-OK-Team: Horst R. Schmidt, Franz Beckenbauer, Fedor Radmann und Wolfgang Niersbach (v.l.),Bild: picture-alliance/dpa/M. Schrader

Niersbach ließ unterdessen mitteilen, dass er der Einladung des Sportausschusses des Bundestags zur nächsten Sitzung am 4. November nicht folgen könne. Man wolle zunächst die Ergebnisse der externen Prüfung abwarten, hieß es in der Mitteilung des DFB. Der amtierende DFB-Präsident behauptet bislang, vor 13 Jahren von einer Zahlung an die FIFA-Finanzkommission noch nichts gewusst zu haben.

Dempsey, immer wieder Dempsey

Derweil schürte Zwanziger neue Spekulationen um einen Stimmenkauf vor der WM 2006. Er konkretisierte seinen Verdacht eines "Schmiergeldteppichs" und verweist auf eine mögliche Bestechung des FIFA-Funktionärs Charles Dempsey. Dies lässt sich aus einer Notiz ableiten, die Zwanziger in einem 2012 veröffentlichten Dokument aus dem Verfahren gegen den ehemaligen Rechtevermarkter ISL gemacht hat.

Dieses Schriftstück veröffentlichte die "Bild"-Zeitung (Dienstag) nach einem Treffen mit Zwanziger. In der Auflistung von Überweisungen, die sich in der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Zug aus dem Jahr 2010 findet, steht neben einem Geldtransfer am 5. Juli 2000 über 250.000 US-Dollar die Bemerkung: "Dempsey!". Dass der Neuseeländer bei der WM-Vergabe einen Tag später in der letzten Runde keine Stimme abgab, sicherte Deutschland im Duell mit Südafrika den WM-Zuschlag.

Ist Dempsey "E16"?

Der DPA bestätigte Zwanziger, dass er die Notiz direkt nach Veröffentlichung vor drei Jahren gemacht hätte. "Dieser Schmiergeldteppich hat mich 2012 irritiert und zweifeln lassen, ob die Variante Provisionszahlung richtig ist", sagte der 70-Jährige auf Anfrage. "Ich sah es als meine Pflicht an, diese Ungereimtheiten dem DFB und früheren Mitgliedern des OK zu übermitteln und eine Prüfung anheimzustellen." Über einen Verdacht, dass es sich bei dem anonymisierten Zahlungsempfänger "E16" um Dempsey handelt, hatten Medien bereits in der Vergangenheit berichtet.

Im Zentrum der Affäre und auch der Untersuchung der vom DFB beauftragten Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer steht eine Zahlung von 6,7 Millionen Euro. Diese soll laut Darstellung von DFB-Präsident Niersbach an die Finanzkommission der FIFA gegangen sein. Aufgrund dieser Zahlung soll das Organisationskomitee eine Unterstützung in Höhe von 170 Millionen Euro erhalten haben.

Sponsoren werden nervös

Den im Raum stehenden Vorwurf eines Stimmenkaufs wies der DFB mehrfach zurück. Mehr als zehn Rechtsanwälte der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer arbeiten derzeit in der DFB-Zentrale. Mit konkreten Ergebnissen ist nach Auskunft der externen Ermittler aber erst in einiger Zeit zu rechnen. "Wir haben Verständnis für den großen Informationsbedarf, aber bitten auch um Verständnis, dass wir mit Blick auf die Zahl der zu sichtenden Dokumente und zu befragenden Personen dafür einige Wochen benötigen werden", erklärte Christian Duve von Freshfields Bruckhaus Deringer.

Sponsoren des DFB fordern nun ebenfalls lückenlose Aufklärung. "Über die derzeitigen Vorwürfe bezüglich der WM-Vergabe 2006 haben wir mit den DFB-Verantwortlichen gesprochen", sagte Ulrike Strauß, Sprecherin des Versicherungskonzerns Allianz der "Sport Bild" (Mittwochausgabe). "Wir gehen davon aus, dass der DFB die Vorwürfe lückenlos aufklären wird." Auch beim Chemie-Konzern Henkel werden die Vorwürfe genau beobachtet. "Wir verfolgen die aktuelle Berichterstattung rund um die Vergabe der WM 2006 sehr aufmerksam", sagte Henkel-Sprecher Lars Witteck dem Sportmagazin.

sw/ww (dpa, sid)