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"Nein" ist nicht das letzte Wort

Jannis Papadimitriou7. Juli 2015

Nach dem Rücktritt von Finanzminister Varoufakis setzt Griechenland bei den Verhandlungen mit den Gläubigern auf einen Neuanfang. Doch die Positionen bleiben verhärtet. Von Jannis Papadimitriou aus Athen.

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Griechenland Demonstration Nein Referendum
Bild: picture alliance/ZUMA Press/M. Debets

Schon zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale war der Abend gelaufen: Nach Hochrechnungen des Athener Innenministeriums lag das Nein-Lager zu diesem Zeitpunkt mit 61 Prozent der Stimmen uneinholbar vorne und erreichte in fast jedem Wahlkreis Griechenlands die meisten Stimmen.

Es folgte ein Straßenfest der Nein-Sager in der Athener Innenstadt bis in den frühen Morgen. Dabei hatten alle Umfragen der letzten Tage auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hingedeutet. Gestärkt durch das klare Wahlergebnis erscheint Ministerpräsident Alexis Tsipras, der den Volksentscheid über die Sparvorschläge im Alleingang ausgerufen hat.

Die erforderliche Mindestbeteiligung von 40 Prozent wurde mit 65 Prozent weit übertroffen. "Allein durch die große Beteiligung des Volkes wird jeder Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Referendums widerlegt", erläutert Nikos Filis, Fraktionssprecher der regierenden Linkspartei Syriza, im Interview mit dem TV-Sender Mega.

Der Hintergrund für diese Äußerung: Sämtliche Verfassungsrechtler und nicht zuletzt der Europarat hatten im Vorfeld die Rechtsmäßigkeit der griechischen Volksabstimmung bezweifelt- vor allem wegen der unklaren und zu komplexen Fragestellung, sowie der ungewöhnlich kurzen Wahlkampfzeit.

Nach dem überraschend klaren Sieg des Nein-Lagers spekuliert die Athener Tagespresse verstärkt über einen Grexit- den Austritt Griechenlands aus dem Euroraum. "Einigung oder Grexit" lautet nunmehr die Frage, berichtet die wirtschafts-liberale Zeitung Kathimerini. "Reformen oder Grexit", titelt das Blatt Ta Nea. Eine andere Lesart pflegt Avgi, die Parteizeitung der griechischen Linken: "61 Prozent sagen Nein zur Austerität".

"Unser Volk kann durchhalten"

Trotz heftiger Reaktionen aus dem EU-Ausland will die Regierung Tsipras den Ausgang des Referendums nicht als ein Ende, sondern, im Gegenteil, als Neuanfang bei den Verhandlungen mit den Kreditgebern verstanden wissen. "Wir arbeiten daran, eine Einigung zu erreichen. Unser Volk hat gezeigt, dass es durchhalten kann", erklärte Innenminister Nikos Voutsis am Sonntagabend im TV-Interview.

Und er fügte hinzu: "Eine ganze Woche haben die Menschen in Griechenland durchgehalten, sie werden wohl auch noch ein paar Tage mehr durchhalten können"- eine deutliche Anspielung auf die Schließung der Banken per Regierungsverfügung am vergangenen Montag (29.6.), die möglicherweise mangels Liquidität im Land noch verlängert wird. An diesem Montag (6.7.) muss die Europäische Zentralbank darüber entscheiden, ob sie den griechischen Kreditinstituten weitere Nothilfen gewährt.

Ökonom Kostas Stoupas hingegen glaubt, dass die griechische Regierung in einer Sackgasse steckt und wegen der Bankenschließungen in den nächsten Wichen und Monaten mit unkontrollierbaren Folgen konfrontiert werden kann. Nach seiner Auffassung drohen Zahlungsverzögerungen im öffentlichen Dienst, sowie Mängel an Lebensmitteln, Medikamenten und Benzin. Stoupas ist sich sicher: "Der Nein-Sieg beim Referendum erschwert die Verhandlungsposition Griechenlands".

Zurück an den Verhandlungstisch?

Die Athener Regierung sieht das anders: Der Ausgang des Referendums sei kein Auftrag für einen Bruch mit den Geldgebern, erklärte Ministerpräsident Tsipras in einer TV-Ansprache am späten Sonntagabend. Es gäbe durchaus nachhaltige Lösungen, allerdings müsse man mit den Kreditgebern auch über eine Umstrukturierung der griechischen Schulden sprechen.

Erst nach dem griechischen Referendum beginne "der substantielle Teil der Verhandlungen", sagte Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis. Schon längst hat Regierungschef Tsipras eine Einigung mit den Geldgebern "innerhalb von 48 Stunden nach dem Referendum" in Aussicht gestellt.

Die überraschend schwere Niederlage der Ja-Sager hat nicht zuletzt auch Konsequenzen für die Athener Opposition: Vor einem kurzfristig anberaumten Krisentreffen aller griechischen Parteiführer mit Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos am Montag (6.7.) trat der konservative Oppositionsführer und ehemalige Ministerpräsident Antonis Samaras zurück.

Laut Medienberichten hatte ihn die ehemalige Außenministerin Dora Bakoyannis zum sofortigen Rücktritt aufgefordert. Vorläufiger neuer Parteichef wird der ehemalige Parlamentspräsident Vangelis Meimarakis, der Premier Tsipras auffordert, sein Versprechen von einer "Einigung innerhalb von 48 Stunden nach dem Referendum" nun einzulösen.