Neid mit Heiligenschein
16. Juni 2009Natürlich ist die Offerte Real Madrids für den portugiesischen Superstar Cristiano Ronaldo ein unmoralisches Angebot. Denn kein Fußballer der Welt ist eine Ablösesumme von 94 Millionen Euro und einen geschätzten Netto-Jahresverdienst von 11,5 Millionen Euro wert. Wie viel Leid und Armut könnte man mit dieser Summe, vernünftig angelegt, lindern. Doch in diesem Sinne sind viele Spitzengehälter und Abfindungen unmoralisch, ob im Sport, Showbusiness oder auch in der Wirtschaft.
Die deutschen Königlichen
Wenn sich allerdings Bayern Münchens Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge über das Angebot der Spanier empört, fühlt man sich an die Worte des englischen Schriftstellers H.G. Wells erinnert: "Moralische Entrüstung ist Neid mit einem kleinen Heiligenschein." Wie gerne wären die Bayern auch wie Real und würden um Ronaldo mitbuhlen. Statt dessen müssen sie sich mit dem Ruf der "deutschen Königlichen" begnügen, die nur 30 Millionen Euro hinblättern können, um Nationalstürmer Mario Gomez aus seinem Vertrag beim VfB Stuttgart herauskaufen zu können. War das nun ein moralischer Handel? Nicht nur finanzschwächere Bundesliga-Clubs dürften widersprechen.
Fair gehandelt?
Rummenigge fordert neue Regeln in Sachen "Financial Fairplay". Wahrscheinlich laufen dann demnächst Fußballer mit dem Trikot-Aufdruck "Fair gehandelt" über den Platz. Und das entsprechende Siegel vergibt eine Kommission unter Vorsitz des Bayern-Managers Uli Hoeneß oder des Milliardärs Dietmar Hopp. Dem Mäzen von 1899 Hoffenheim muss man immerhin zugute halten, dass er nicht die moralische Keule schwingt. Hopp hält den Ronaldo-Transfer schlichtweg für wirtschaftlich bedenklich. Damit hat er wohl auch recht. Denn es gibt nur eine Moral im Fußball: die Zahlungsmoral. Wenn die eines Tages ausbleibt, könnte die ganze Millionen und Abermillionen schwere Fußballblase platzen. Dann werden Rummenigge und Co. wahrscheinlich nach dem Staat rufen.
Autor: Stefan Nestler
Redaktion: Joachim Falkenhagen