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Nebensaison in St. Peter-Ording: Giftbuden und Watt-Safaris

Oliver Schindler15. Oktober 2015

Als 1838 der erste Gast für eine Übernachtung bezahlte, konnten es die Einheimischen kaum fassen. Heute zählt St. Peter-Ording mehr als 200.000 Urlauber im Jahr. Und der Ferienort hat auch im Herbst seine Reize.

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St. Peter Ording
Bild: DW/O. Schindler

Die Sonne strahlt vom Himmel. Es weht eine leichte Brise. Urlauber und Einheimische sitzen in luftiger Höhe auf der Terrasse des Pfahlbau-Restaurants "Arche Noah". Sie nehmen ein Sonnenbad oder genießen den Panoramablick über den schier endlos erscheinenden Strand, der eigentlich eine Sandbank ist. Sommergefühle liegen in der Luft. Allerdings ist niemand im Wasser zu sehen. Es liegt auch niemand am Strand. Der Grund dafür ist einfach: Es ist viel zu kalt. Es ist Nebensaison in St. Peter-Ording in Nordfriesland.

Erinnerungen an den Sommer

Die Badesaison ist vorbei. Alle wichtigen Partys sind gefeiert. Der Touristenstrom ist von dem zwölf Kilometer langen und bis zu zwei Kilometer breiten Strand weiter in den Süden gezogen. Die Strandkörbe wurden in ihr Winterquartier transportiert. Die Highlights der Hauptsaison sind alle Vergangenheit: Pfingstregatta der Strandsegler, Halbmarathon, Triathlon, Beachvollballturnier, Drachenfestival und natürlich der Kitesurf World Cup Ende August.

Die Ruhe der Nebensaison ist eingekehrt. Jetzt hat jeder Urlauber noch mehr Platz an dem riesigen Strand, der so groß ist wie 2000 Fußballfelder. In den Pfahlbau-Restaurants und den anderen Lokalitäten ist es wieder möglich, einen Sitzplatz zu bekommen. Die Atmosphäre im Ort hat sich gewandelt: die rund 4000 Einwohner von St. Peter-Ording sind wieder in der Überzahl. Ab und zu heißt es "Moin" - auch Fremde werden nun auf der Straße gegrüßt.

St. Peter Ording
Die Gaststätten auf Stelzen sind das Wahrzeichen von St. Peter-OrdingBild: DW/O. Schindler

Heiße Getränke an kalten Tagen

Die kalte Jahreszeit gibt einem auch die Chance, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Meer, Watt, Ebbe, Flut, Strand, Dünen, Wind und Sonne, wenn sie denn scheint. So viel Natur lässt sich bestens von den fünf Pfahlbau-Restaurants beobachten, die bis zu acht Meter hoch sind und deren Pfähle rund fünf Meter tief im Boden stecken. Sie sind mehr als einhundert Jahre alt und werden auch Giftbuden genannt. "Gift" ist althochdeutsch und bedeutet "geben". Damals gab es in den Giftbuden vor allem Alkohol, heute steht sehr viel mehr auf der Karte. Die nordfriesischen Spezialitäten Pharisäer (Kaffee, Rum und Sahnehaube) und Tote Tante (Kakao statt Kaffee) gibt es natürlich immer noch.

In der Nebensaison haben allerdings nur zwei Giftbuden geöffnet: die "Arche Noah" an der Seebrücke und die "Strandhütte" an der Badestelle Süd. Die drei anderen Giftbuden sind in der Nebensaison geschlossen, wegen ihrer exponierten Lage sind sie besonders sturmflutanfällig. Und Stürme gibt es einige im Herbst und im Winter. Daher stehen die Pfahlbauten immer mal wieder mindestens knietief im Wasser.

Entschleunigen im Spiel der Gezeiten

Die Restaurants verführen dazu, das Strandwandern auf später zu verschieben, sofort einzukehren und mit einem Heißgetränk den Horizont zu beobachten. Allerdings ist das Meer gar nicht da! Es ist Ebbe. Die Nordsee zieht sich zweimal täglich zurück - vielleicht um sich vom Tourismus zu erholen. Stattdessen zeigt sich das Watt. Es gehört zum Nationalpark Wattenmeer, der von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt wurde. Das Wattkieken (aufs Watt gucken) ist ein meditativer Zeitvertreib für Urlauber, die entschleunigen möchten.

Sankt Peter-Ording
Strand und Weite bis zum HorizontBild: picture-alliance/dpa

Wanderungen zu den Wattwürmern

Wer sein Leben für ein paar Stunden wieder beschleunigen möchte, der kann an einer geführten Wattwanderung teilnehmen. Sie werden von der Schutzstation Wattenmeer angeboten und beginnen direkt an der "Strandhütte". Zu den zahlreichen Bewohnern des Nationalparks, die einem beim Wattwandern über den Weg laufen, zählen die von der Schutzstation sogenannten Small Five: Wattwurm, Herzmuschel, Strandkrabbe, Wattschnecke und Nordseegarnele. Bei genauerer Betrachtung sind sie ähnlich interessant wie die viel bekannteren Big Five, die in afrikanischen Nationalparks zu Hause sind: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Die Wattwanderung ist also auch eine Watt-Safari.

"Unsere Wattführungen sind auch in der Nebensaison beliebt. Die Leute sind sehr am Wattenmeer und den Small Five interessiert. Deshalb gehen wir auch ausführlich auf das Thema Naturschutz ein", sagt Matthew Keir von der Schutzstation Wattenmeer. Er arbeitet gerade am Info-Tresen im Nationalpark-Haus in St. Peter-Bad, wo es auch eine interaktive Erlebnisausstellung gibt.

St. Peter Ording
Kitesurfer nutzen die kräftigen HerbstwindeBild: DW/O. Schindler

Viel Raum für Körper, Geist und Seele

Während die Flut das Wasser wieder ins Watt zurückbringt, ist auf einmal richtig was los neben der "Strandhütte": Einige Kitesurfer pumpen ihre Drachen auf, andere sind schon auf dem Wasser. Für eine Weile herrscht hektisches Treiben, und Erinnerungen an den wilden Sommer werden wach. Eine Giftbude weiter nördlich ist es hingegen ruhig wie fast immer in der kalten Jahreszeit: Die Gäste auf der Terrasse der "Arche Noah" genießen das Panorama. Fast alle Plätze sind besetzt. Heiße Getränke dampfen in der kalten Luft. Es dauert nicht mehr lange bis zum Sonnenuntergang. Und der ist in der Nebensaison genauso spektakulär wie im Sommer.

St. Peter Ording
Abendstimmung an der NordseeBild: DW/O. Schindler