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Tschechisches Epos

Jochen Kürten21. August 2008

"Ich habe den englischen König bedient" steht in der Tradition tschechischer Filmkultur. Jiri Menzels Kino-Humoreske setzt auf Satire und beißenden Witz - obwohl die Handlung während der deutschen Besatzung spielt.

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Deutscher Gast: Julia Jentsch (Foto: Farbfilm Verleih)
Deutscher Gast: Julia JentschBild: Farbfilm Verleih

Wenn der berühmteste Regisseur des Landes, der für sein Filmdebüt 1968 gleich den Oscar erhielt, eines der populärsten Bücher des Nationaldichters Tschechiens verfilmt, dann darf man schon gespannt sein. "Ich habe den englischen König bedient" war der wohl größte literarische Erfolg des 1997 gestorbenen Schriftstellers Bohumil Hrabal und fand auch in Deutschland zahlreiche Leser. 2007 feierte die Verfilmung des Buches Weltpremiere bei den Berliner Filmfestspielen. Ab Donnerstag (21.8.2008) ist Menzels Werk, das die Geschichte eines jungen Kellners erzählt, in den deutschen Kinos zu sehen.

Tschechische Historie auf der Leinwand

"Ich habe den englischen König bedient" spiegelt mehrere Jahrzehnte tschechische Historie in der Lebensgeschichte des Kellners Jan Díte. Für Regisseur Menzel war die Verfilmung des Hrabal-Romans ein lang gehegter Traum: "Das ist eine sehr lange und komplizierte Geschichte, da Hrabal in das kurze Buch eine Menge Episoden und kleine Geschichten eingebaut hat", sagt Menzel. "All diese Details fügt er um die Geschichte des Kellners Jan Dité, der im Laufe der Jahre zu einem Hotelier heranwächst und dann zu einem Waldarbeiter degradiert wird." Kern ist die Geschichte der Tschechoslowakei zwischen den Jahren 1925 und 1960. "Es ist eigentlich ein Film über die Geschichte unseres Volkes und über den Charakter der Tschechen", sagt der Regisseur.

Zwischen Satire und beißendem Spott

Obwohl der Film über weite Strecken die Zeit der nationalsozialistische Besatzung behandelt, dominiert ein satirischer und humorvoller Tonfall. Der Aufstieg des sympathischen Opportunisten Díte wird mit viel Witz und Mitgefühl geschildert. Schelmenstück und Slapstick, Poesie gepaart mit derbem Witz, all das liegt bei Regisseur Jiri Menzel wie immer ganz dicht beieinander. Das dürfte nicht jedem Zuschauer gefallen. Die Nazis als - auf den ersten Blick - nur scheinbar gefährliche Buben in Uniform, die Okkupation als Kinderspiel, die Verschleppung der Juden als Randepisode: Menzels Filmstil streift so manches mal die Grenze der Verharmlosung.

Zwiespältige Reaktionen

Und so fielen auch die Reaktionen des Publikums und der Kritik schon bei der Berlinale höchst unterschiedlich aus. "Ein rundum uninteressanter Männerselbstfindungsfilm" sei das mit Pointen à la "Klimbim" und so erotisch wie ein "Schulmädchenreport" - so lautete das Urteil einiger Kritiker. "Verblüffend mit welcher Originalität Menzel die Situationen seines Lieblingsautors Bohumil Hrabal in eigene Bilder überträgt" lobten dagegen andere. In Menzels Heimatland wurde "Ich habe den englischen König bedient" zu einem überragenden Publikumserfolg.

Gaststar aus Deutschland

Neben dem bulgarischen Hauptdarsteller Ivan Barnev ist die deutsche Schauspielerin Julia Jentsch in der Rolle einer properen Sudetendeutschen zu sehen. Jentsch, spätestens seit ihrem vielfach gepriesenen Auftritt als Sophie Scholl einer der "Shooting Stars" des deutschen Kinos, macht ihre Sache gut. Als eine von nationalsozialistischem Gedankengut beseelte junge Frau gelingt ihr ein überzeugender Auftritt. Ganz anders als in ihrer bekanntesten Rolle als Widerstandskämpferin zeigt sie nun weitere Facetten ihrer Schauspielkunst. Damit dürfte Menzels Film für den Nachwuchsstar aus Deutschland ein Schritt zur internationalen Karriere sein.

Julia Jentsch mit dem Silbernen Bären der Berlinale 2005 (Foto: AP)
Julia Jentsch mit dem Silbernen Bären der Berlinale 2005Bild: AP
Bohumil Hrabal (Foto: dpa)
Bohumil HrabalBild: picture-alliance/ dpa
Was darf's denn sein? Filmszene mit Kellnern, die eine Frau bedienen. (Foto: Farbfilm Verleih)
Was darf's denn sein?Bild: Farbfilm Verleih
Jiri Menzel (Foto: Jakub Ludvik)
Jiri MenzelBild: Jakub Ludvik