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Nazi-Netzwerk im Knast

10. April 2013

Gibt es ein bundesweit operierendes Netzwerk von Rechtsradikalen in deutschen Haftanstalten? Und haben die Gefangenen sogar mit dem "Nationalsozialistischen Untergrund" Kontakt? Die Anzeichen verdichten sich.

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Ein Zaun mit Stacheldraht steht vor einem Wachturm in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Straubing. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Sprecher des hessischen Justizministeriums bestätigte Berichte der "Bild"-Zeitung und der "Süddeutschen Zeitung", wonach sich in deutschen Gefängnissen ein rechtsradikales Netzwerk gebildet habe, das versucht habe, Kontakt zum Umfeld des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) aufzunehmen. Angaben zu Details wollte der Sprecher später machen.

Die "Bild"-Zeitung schreibt unter Berufung auf Ermittlerkreise, Mitglieder eines Hilfsverein für rechtsradikale Gefangene hätten offenbar schriftlichen Kontakt mit NSU-Kreisen gepflegt. Dies habe eine Auswertung von Beweismaterial ergeben, das bei Zellendurchsuchungen in hessischen Strafanstalten in den vergangenen Wochen sichergestellt worden sei.

Neo-Nazis planten im Gefängnis

"Codes und Symbole"

Auch mit anderen rechtsextremen Straftätern habe die Organisation regen Kontakt gehabt, heißt es in dem Bericht. Dabei sei die Kommunikation zwischen den Mitgliedern der Organisation weitgehend über Briefe und versteckte Botschaften im Kleinanzeigenteil von Zeitschriften gelaufen. Die Neonazis hätten Codes und Symbole benutzt, die offenbar selbst für Experten nur schwer als "rechtsradikal" zu erkennen seien.

Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, dass in Hessen die Kontrollen bei Gefangenen verschärft wurden. Vollzugsbeamte sollten fortgebildet werden, um rechtsextremistische Umtriebe schneller unterbinden zu können. Rechtsextremisten träten im Vollzug zunächst meist angepasst auf, ihre konspirative Arbeit sei daher nicht leicht zu erkennen.

Verräterische Annonce in "Biker News"

Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn kündigte in der "Bild"-Zeitung eine lückenlose Aufklärung der Vorgänge an. "Wir wollen Fehler von Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit den Straftaten des NSU nicht im Strafvollzug wiederholen", erklärte der FDP-Politiker. Hahn bestätigte, dass Zellen durchsucht und Postsendungen überprüft worden seien. Die hessischen Sicherheitsbehörden seien unter anderem über eine Kleinanzeige in einer Motorradzeitschrift auf das Netzwerk gestoßen. In den "Bikers News" vom Oktober 2012 habe eine Kleinanzeige für eine Gefangenenhilfsorganisation geworben. Als Gründungsdatum sei der 20. April 2012 genannt worden. Neo-Nazis feiern den 20. April als Geburtstag von Adolf Hitler.

In Bayern sind bisher keine Kontakte des rechtsradikalen Netzwerks in Gefängnissen und speziell zum NSU-Umfeld bekannt. "Wir haben keine eigenen Erkenntnisse, dass dieses Netzwerk sich auch auf Bayern ausdehnt", sagte ein Sprecher des Justizministeriums. "Auch in Stadelheim gibt es derzeit keine Erkenntnisse, dass das Netzwerk hier Kontakt knüpft." In der Justizvollzugsanstalt Stadelheim sitzen die mutmaßliche NSU-Terroristin Beate Zschäpe und der mutmaßliche Helfer Ralf Wohlleben in Untersuchungshaft. Dort warten sie auf ihren Prozess, der am 17. April beginnt. Angeklagt sind zudem drei weitere mutmaßliche Unterstützer der Terrorgruppe.

Der für den NSU-Prozess vorgesehene Gerichtssaal (Foto: dpa)
In diesem Gerichtssaal wird den NSU-Leuten der Prozess gemachtBild: Reuters

ml/kle (dpa, afp)