1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundeswehr in Afghanistan

Nina Werkhäuser29. September 2006

Erwartungsgemäß hat der Bundestag den NATO-Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan um ein weiteres Jahr verlängert. Doch von den NATO-Soldaten wird mehr verlangt, als sie leisten können, meint Nina Werkhäuser.

https://p.dw.com/p/9BXb

In etwas deprimierter Stimmung haben Regierung und Parlament am Donnerstag (28.9.2006) den Afghanistan-Einsatz zum fünften Mal um ein Jahr verlängert. Denn die Analyse der Fortschritte fällt in diesem Jahr zwiespältig aus: Vor allem im Süden und Osten des Landes ist die Sicherheitslage schlechter geworden, die Selbstmordanschläge häufen sich, der Drogenanbau floriert. Die Aufbruchstimmung von einst sei verflogen, so die Bewertung der Bundesregierung, die zum Schluss kommt: Trotz einiger guter Ergebnisse seien viele Afghanen enttäuscht.

Gewaltige Kraftanstrengung verpufft

Diese Enttäuschung wird von der Mehrheit der deutschen Politiker geteilt, denen das Schicksal Afghanistans keineswegs gleichgültig ist. Die Enttäuschung speist sich aus der eigenen Machtlosigkeit. Fast 3000 Bundeswehr-Soldaten sind seit fünf Jahren in Afghanistan im Einsatz - eine gewaltige Kraftanstrengung, die viel Mühe und Geld kostet. Parallel dazu leistet die Bundesregierung Entwicklungshilfe, baut Schulen und Krankenhäuser, lässt Minen räumen und bildet Fachleute aus.

Diese Anstrengungen wären wesentlich wirksamer, wenn sie auf einem stabilen Fundament aufbauen könnten. Aber der afghanische Staat gleicht immer noch einem Haus im Rohbau, das an der einen Ecke schon wieder zusammenfällt, wenn an der anderen endlich mit dem Bau begonnen wird. Oft genug verpufft die gut gemeinte Hilfe oder wandert in die falschen Taschen.

Karsai ist auf NATO-Soldaten angewiesen

Das Grundproblem ist seit fünf Jahren das gleiche: Die Taliban sind bis heute nicht völlig besiegt, der Krieg hat nie aufgehört. Die Strukturen der Stammesfürsten und Warlords sind unzerstörbar oder formieren sich unter dem militärischen Druck neu. Nur langsam konnte die NATO-Sicherheitstruppe ISAF ihre Präsenz von der Hauptstadt Kabul aus in weitere Teile des Landes ausdehnen. Dabei hat sie viele Soldaten verloren und musste akzeptieren, dass es nach wie vor Tabuzonen für sie gibt.

Fünf Jahre nach Beginn des Einsatzes stimmt das ebenso nachdenklich wie die hohe Zahl von Anschlägen auf die NATO-Soldaten. Auf sie stützt sich Präsident Hamid Karsai - und wer sie schwächt, schwächt ihn. Die Taliban setzen darauf, dass die internationale Staatengemeinschaft ermüdet und ihre Truppen zurückzieht. Sie sabotieren den Aufbau eines funktionierenden Staatswesens durch gezielte Anschläge auf die Vertreter des neuen Afghanistan. Für das Drogenproblem gibt es noch nicht mal den Ansatz einer effektiven Lösung. Diese Erfahrung zeigt: Ohne Sicherheit gibt es keine wirkungsvolle Hilfe.

Zuviel verlangt

Soldaten zu schicken, ist verhältnismäßig einfach. Sie können für einen gewissen Zeitraum für Sicherheit sorgen, aber nicht jahre- oder jahrzehntelang Defizite ausgleichen, die letztlich nur die Afghanen selbst beheben können, wie den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Noch ist es ratsam, geduldig zu sein, denn fünf Jahre sind nicht viel in einem kriegszerstörten Land. Aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass von der internationalen Sicherheitstruppe mehr verlangt wird, als sie realistischerweise leisten kann. Sie kann nur den Rahmen für den Wiederaufbau bilden, aber keinen gesellschaftlichen Konsens in einem fremden Land herbeischießen.