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NATO diskutiert Moskaus Alleingänge

8. Oktober 2015

Berlin will die Patriot-Raketen aus der Türkei abziehen. Doch nachdem russische Jets das NATO-Land überflogen, dringt Ankara auf eine Verlängerung des Einsatzes. Die NATO-Mitglieder sind in mehreren Fragen uneins.

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Großbritanniens Verteidigungsminister Fallon, sein US-Kollege Carter und NATO-Generalsekretär Stoltenberg (v. l.)(Foto: EPA)
Großbritanniens Verteidigungsminister Fallon, sein US-Kollege Carter und NATO-Generalsekretär Stoltenberg (v. l.)Bild: picture-alliance/dpa/O. Hoslet

Die NATO-Staaten ringen nach der russischen Intervention im Syrien-Krieg und der Verletzung des türkischen Luftraums durch russische Kampfjets um neue Strategien. Während Deutschland weiter seine Patriot-Luftabwehrraketen aus der Türkei abziehen will, verlangt Ankara nun eine Verlängerung der Patriot-Mission, wie am Rande des Verteidigungsministertreffens in Brüssel verlautete. Auch die Frage, ob sich die Aufmerksamkeit der Allianz mehr auf den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) richten sollte, ist umstritten. Einige Mitgliedsländer wollen bei dem laufenden Ministertreffen nicht, dass die weiter ungelöste Krise in der Ukraine in den Hintergrund gerät.

In Syrien fliegen sowohl russische als auch US-Kampfflugzeuge Angriffe. Während die USA und einige Verbündete vor allem IS-Stellungen bombardieren, beschießen russische Truppen auch andere Rebellengruppen. Russische Kampfflugzeuge waren am Wochenende von Syrien aus mehrfach für kurze Zeit in den türkischen Luftraum eingedrungen. Darauf hatten sowohl die Türkei als auch die NATO mit scharfer Kritik reagiert. Die USA schließen eine Kooperation mit Moskau in Syrien aus. Die Beziehungen zwischen dem Militärbündnis und Russland sind wegen des Ukraine-Konflikts und der russischen Annexion der Krim-Halbinsel ohnehin angespannt.

Von der Leyen verteidigt Patriot-Abzug

Die Patriot-Einheiten aus Deutschland, Spanien und den USA waren ursprünglich in der Türkei stationiert worden, um mögliche Raketenangriffe aus Syrien abzufangen. Die Abwehrwaffen könnten auch gegen Flugzeuge wie die russischen Jets eingesetzt werden. Sowohl Deutschland als auch die USA hatten im August den Abzug der Waffensysteme angekündigt. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen bekräftigte dies in Brüssel: "Es ist die Frage, welche Gefahr wie gebannt werden kann, und in diesem Kontext ist diese Entscheidung (zum Abzug) richtig", sagte sie.

Darüber hinaus will Deutschland nach Angaben aus Bundeswehrkreisen keine zusätzlichen Soldaten für die geplanten Ausbildungs- und Trainingsmissionen in östlichen NATO-Staaten bereitstellen. Stattdessen sollten Kapazitäten genutzt werden, die bereits jetzt im Osten des Bündnisses eingesetzt werden. Dazu gehörten etwa die Soldaten, die derzeit auf Rotationsbasis für Übungen in Polen und Lettland sind, hieß es am Rande des Verteidigungsministertreffens. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur könnten mehrere Hundert Soldaten dauerhaft zu Ausbildungs- und Trainingszwecken in Polen sowie Lettland, Estland und Litauen stationiert werden.

Verlängerung für Afghanistan-Einsatz?

Das entscheidende Signal für einen möglichen Sinneswandel bei der Afghanistan-Mission kam von US-Verteidigungsminister Ash Carter: Er habe "alle Partner gebeten, flexibel zu bleiben und Änderungen an bisherigen Abzugsplänen in Betracht zu ziehen". Seit längerem drängt das amerikanische Militär Präsident Barack Obama, den Einsatz zu verlängern. Der vorübergehende Fall von Kundus an Taliban Kämpfer in der vergangenen Woche hat sie in ihrer Auffassung noch bestärkt, Afghanistan sei eine "nicht zu Ende gebrachte Sache". Obama hatte versprochen, die große Mehrheit der US-Soldaten aus dem ungeliebten Einsatz 2016 nach Hause zu bringen. Jetzt wartet die Nato auf ein offizielles Wort aus dem Weißen Haus.

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen machte sich beim Treffen mit ihren NATO-Kollegen in Brüssel für eine Verlängerung stark: "Wir müssen schauen, wie wir weiter machen und ob wir länger bleiben sollten", sagte sie auf dem Hintergrund der Erfahrung von Kundus. Von der Leyen warb dafür, sich in Afghanistan nicht an einen starren Abzugsplan zu halten, sondern die Entscheidungen von der Sicherheitslage abhängig zu machen. Allerdings wollen die anderen Nato Partner nur weiter im Land bleiben, wenn auch die USA ihr Engagement verlängern. Die rund 10.000 verbleibenden US-Soldaten sind immer noch das Rückgrat des Einsatzes. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg kündigte an, es werde in den nächsten Woche ein Bericht über die Sicherheitslage in Afghanistan vorgelegt. Danach könne das Bündnis dann seine Entscheidung treffen.

Baltische Staaten in Sorge

Großbritanniens Verteidigungsminister Michael Fallon kündigte an, kleinere Kontingente langfristig, aber nicht dauerhaft in die baltischen NATO-Staaten zu entsenden. Eine dauerhafte Stationierung wäre ein Verstoß gegen ein Abkommen zwischen Russland und der NATO von 1997. Die früheren Sowjetrepubliken im Baltikum fürchten jedoch eine russische Expansionspolitik und wollen ein stärkeres Engagement des Bündnisses.

Mit Blick auf die Sorgen der baltischen Staaten und der Türkei vor russischen Aktivitäten kündigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg an: "Die NATO ist bereit und in der Lage, alle ihre Verbündeten gegen jede Bedrohung zu verteidigen." Der frühere norwegische Ministerpräsident äußerte die Bereitschaft, auch Bodentruppen für eine mögliche Verteidigung der Türkei an der Grenze zu Irak und Syrien einzusetzen. Die Gespräche über die verschiedenen Handlungsoptionen dauerten ihm zufolge an.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (Foto: AP)
NATO-Generalsekretär Jens StoltenbergBild: picture-alliance/AP Photo/V. Mayo

ago/djo (dpa, rtr, rtre, afpe, ape)