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Natürlich blond

19. November 2001

Sind Blondinen vom Aussterben bedroht? Der Kieler Anthropologe Jürgens sieht rezessive Gene zunehmend überdeckt. Ist dadurch die Zukunft der Waschmittelwerbung gefährdet?

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Blondine Jenny ElversBild: AP

Von wegen, Blondinen haben's leichter. Sie sind Opfer böser Witzchen, werden belächelt, selten ernst genommen und in der Regel in Friseur-Salons vermutet. Diese Situation an sich ist bereits beklagenswert. Doch damit nicht genug: "Die Zahl blonder Menschen wird immer weniger", sagt der Kieler Anthropologe Professor Hans W. Jürgens.

Dafür macht der Wissenschaftler die simple Vererbungslehre verantwortlich sowie die Folgen von Zuwanderung und Migration.

Sterben Blondinen aus?

Es klingt logisch: Die Gene, die für Körpermerkmale wie blondes Haare, blaue Augen, helle Haut verantwortlich sind, werden rezessiv vererbt. Damit können eine blonde Frau und ein Mann mit dunkler Haut und dunklen Haaren keine besonders hellen Kinder bekommen. Die dafür verantwortlichen Gene werden sozusagen überdeckt. Ausnahmen wie das gemeinsame Kind von Ex-Tennis-Star Boris Becker und dem russischen Model Angela Ermakowa würden auch hier die Regel bestätigen. Natürlich wird es nie keine blonden Menschen mehr auf der Welt geben, betont Jürgens. Er sagt aber auch: "In der Tendenz werden die Menschen immer dunkler."

Auch der Leiter der erbbiologischen Untersuchungsstelle in der Abteilung Humangenetik der Universität Ulm, Professor Friedrich Rösing, bemerkt einen weltweiten Rückgang blonder Menschen. Er erklärt das allerdings anders. Die Weltbevölkerung wächst nach seinen Aussagen in den Ländern am schnellsten, in denen die Menschen dunkelhäutig und -haarig sind. Angeblich hätte der Anteil blonder Menschen an der Gesamtbevölkerung der Erde in den vergangenen 50 Jahren abgenommen und ist von 40 auf 14 Prozent gesunken. Und ebenfalls angeblich kommen in Deutschland nur acht Prozent aller Frauen und nur sechs Prozent der Männer blond zur Welt.

Blond wäscht sich's besser

Wie dem auch sei – die Entwicklung ist traurig. Blondinen sind nämlich nicht nur Hauptfiguren der gleichnamigen Witze. Sie gelten einerseits als glamourös, sexy und egozentrisch und werden – was für ein Kontrast – andererseits auch gerne in der Werbung eingesetzt, weil sie ein so vertrauenswürdiges und sauberes Image haben. "Fast alles was mit Wasch- und Putzmitteln zu tun hat, wird mit Blondinen beworben", sagt Jürgens.

Den Widerspruch von Glitzerwelt und Waschmittel-Branche klärt der Wissenschaftler mit dem Hinweis auf einen feinen Unterschied im Blondton: Marlene Dietrich oder Marilyn Monroe waren nach seiner Definition silbrig-platin-blond, während für Waschmittel-Werbung ein warmes rot-blond bevorzugt wird – häufig in Form des praktischen Kurzhaarschnitts. Dunkelhaarige Frauen stehen hingegen eher für samtene Sinnlichkeit, betont Jürgens. Folgerichtig werben sie bevorzugt für Schokolade, Alkohol und nette Unterwäsche.

Schnuckeln contra Häusle bauen

Diese Assoziationen sind nach den Worten des Anthropologen völlig willkürlich, unterbewusst und durch keinerlei rationale Argumente zu belegen. Interessanterweise gelten sie aber auch für zwischenmenschliche Beziehungen. Jürgens führte zahlreiche Untersuchungen durch über Faktoren, die bei der Partnerwahl eine Rolle spielen. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass äußerliche Kriterien ausgesprochen wichtig sind. Der Kieler Wissenschaftler schaltete zwei Typen von Anzeigen in überregionalen Tageszeitungen: Medizinisch-Technische Assistentin (MTA), 26 Jahre alt, sucht passenden Ehepartner. Einmal war die Frau blond, das andere Mal dunkelhaarig.

Das Ergebnis war deutlich. "Bei den dunkelhaarigen Frauen wollten die Männer schnuckeln, bei den blonden ein gemeinsames Leben führen und ein Haus bauen", fasst Jürgens zusammen. Und noch etwas: Die blonde MTA bekam nur ein Drittel der Zuschriften von der Dunkelhaarigen. Interessanterweise gab es auch Männer, die an beide Frauentypen schrieben. Die wollten dann mit der einen "schnuckeln" und mit der anderen ein Haus bauen.

Haarfarbe und Berufe

Zusätzlich machte Jürgens Umfragen, welche Berufe mit welchen Merkmalen verbunden werden. Auch hier kam das entsprechende Ergebnis heraus: Sportlehrer sind immer blauäugig, ohne Ausnahme, Offiziere meistens und Krankenschwestern zumindest überwiegend. Sie gelten als offen und ehrlich. Vertreter hingegen haben in der Vorstellung der Menschen natürlich dunkle Augen – das Vertrauen, das ihnen entgegen gebracht wird, ist landläufig ja auch eher gering.

Zusammengefasst bedeutet das: Blondinen werden weniger, sie stehen im Spannungsfeld zwischen Glamour und Waschmittel und werden lieber für's Häuserbauen genommen als "beschnuckelt". Bevorzugt sind sie demnach wirklich nicht.