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Hassan Nasrallah

Birgit Kaspar, Beirut24. Januar 2009

Wenn Nasrallah im Fernsehen eine Ansprache hält, dann schallt seine Stimme aus vielen Wohnungen und vorbeifahrenden Autos. Daran erkennt den Einfluss des Hisbollah-Chefs - auch außerhalb des Libanons.

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Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah in einer Fernsehansprache 2006, Foto: ap
Nasrallah wurde am 31. August 1960 in Beirut geborenBild: AP

Seine Anhänger verehren ihn glühend, sie sind jederzeit bereit, ihm zu gehorchen. Sayyed Hassan Nasrallah, der schiitischer Gelehrter, Politiker und Milizenführer zugleich ist, wurde 1992 an die Spitze der radikal-schiitischen Hisbollah gewählt, nachdem sein Vorgänger, Abbas Musawi von den Israelis ermordet worden war. Seit dem von der Hisbollah erzwungenen Rückzug der Israelis aus dem Südlibanon im Jahr 2000 gilt er als der Mann, der die Würde der Araber wieder hergestellt hat. Als die Schiitenmiliz im Krieg gegen Israel 2006 ein militärisches Patt erzielte, wurde Nasrallah von vielen als Held gefeiert. Umfragen in der arabischen Welt zufolge ist er heute der beliebteste Politiker in der Region. Doch er hat auch zahlreiche Kritiker, nicht zuletzt im Zedernstaat, wo ihm das pro-westliche Lager vorwirft, er habe einen Staat im Staate aufgebaut und ziehe das Land ohne Not in militärische Auseinandersetzungen mit Israel.

Anhänger Nasrallahs 2006, Foto: AP
Nasrallah wird von seinen Anhängern "Sayid" ("Nachkomme Mohammeds") und "Scheich" genanntBild: AP

Doch der charismatische Hisbollah-Chef, dessen Konterfei mit Vollbart, Turban und langem, islamischem Mantel Poster, Feuerzeuge und andere Devotionalien schmückt, lässt sich davon ebenso wenig beirren wie von israelischen Morddrohungen. Der jüngste Gaza-Konflikt und der Krieg 2006 hätten gezeigt, dass es zum islamischen Widerstand keine Alternative gebe, so Nasrallah: "Es ist der standhafte Widerstand des Blutes, der Heilige Krieg, der unser Volk schützt und unsere Rechte verteidigt. Alle anderen Optionen sind eine Schimäre." An Israels Adresse gerichtet wiederholte Nasrallah mehrfach: "Eure Flugzeuge und Drohungen machen uns keine Angst, wir sind bereit jeder Aggression entgegenzutreten."

Eine neue Vision

Der Sohn eines südlibanesischen Gemüsehändlers, der bereits als 32-Jähriger an der Spitze der Hisbollah stand, mobilisiere die Moslems mit einer neuen Vision, meint Alistair Crooke. Crooke war in der Vergangenheit Berater von EU-Chefdiplomat Javier Solana und hat zahlreiche Gespräche zwischen EU, Israel, Hamas und Hisbollah organisiert: "Sie richtet sich gegen die vom Westen protegierten Regime, die sich nicht um die Belange ihrer Bevölkerung kümmern", glaubt er, "Er setzte sich an die Spitze einer Bewegung der Reformen und Veränderungen." Auch deshalb sähen die einen in Nasrallah einen Revolutionär, die anderen, darunter die USA und Israel, einen Top-Terroristen. Die "Partei Gottes" wird unter seiner Führung unter anderem für einen Anschlag auf die israelische Botschaft 1992 in Buenos Aires verantwortlich gemacht, bei dem 29 Menschen ums Leben kamen.

Libanon-Krieg 2006, Foto: AP
Seit dem Libanon-Krieg galt Nasrallah als der Mann, der die Würde der Araber wieder hergestellt hatBild: AP

Nasrallah hat die Hisbollah von einer rein islamischen Widerstandsmiliz in eine umfassendere Bewegung mit starkem politischem Flügel überführt, die ihre Popularität durch ein leistungsfähiges Sozialnetz untermauert. Trotz feuriger Reden ist er nach Ansicht der Hisbollah-Expertin Amal Saad-Ghorayeb ein kühl kalkulierender Politiker. Was ihn antreibt, so Saad-Ghorayeb, sei seine Idee von Gerechtigkeit. "Das ist das übergeordnete Ziel. Der Islam ist mehr ein Mittel zum Zweck", sagt sie. Die Hisbollah-Expertin hält die Befürchtung, Nasrallah wolle aus dem Libanon einen schiitischen Gottesstaat nach iranischem Modell machen, für absurd, denn er habe schnell verstanden, dass das im multi-konfessionellen Libanon nicht zu machen sei.

Kein islamischer Gottesstaat

Kompromisslos ist der Vater von vier Kindern, der seinen ältesten Sohn im Kampf gegen Israel verlor, allerdings, wenn es um die Waffen der Hisbollah und um die Befreiung arabischen Landes von jeglicher Besatzung oder Fremdherrschaft geht. Oberste Priorität hat das libanesische Territorium, aber gleich danach kommt die Unterstützung des Kampfes der Palästinenser. Nasrallah wendet sich gegen ein "amerikanisch-israelisches Projekt für einen ungerechte Lösung des Nahostkonfliktes, nachdem Ägypten und Jordanien so genannte Friedensverträge unterzeichnet haben." Palästina, Syrien und Libanon seien jetzt noch übrig, ihnen wolle man nun die israelisch-amerikanischen Bedingungen aufzwingen. Das zu verhindern ist Nasrallahs Ziel. Unterstützt wird er dabei von Damaskus und Teheran, aber er handele autonom, betont Saad-Ghorayeb: "Er hat in Teheran großen Einfluss." Wenn es um den gemeinsamen Feind Israel geht, scheint es jedenfalls zwischen der iranischen Führung und Nasrallah eine Art natürlichen Konsens zu geben.