1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwierige Gespräche

Daniel Pelz, Berlin16. März 2016

Wie soll der Genozid in der früheren deutschen Kolonie Namibia aufgearbeitet werden? Darüber verhandeln Deutschland und Namibia, jetzt waren die Gespräche Thema im Bundestag.

https://p.dw.com/p/1IDts
Demonstranten mit einem Plakat "Völkermord verjährt nicht!" (Foto: Imago/IPON)
Archivbild: Demonstranten bei einem Gedenkmarsch 2014Bild: Imago/IPON

Wenn sich Namibias Botschafter Andreas Guibeb mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte beschäftigen will, muss er nur seinen Berliner Amtssitz betreten. Ein jüdischer Geschäftsmann ließ sich das schicke Anwesen 1923 bauen. Die Nationalsozialisten enteigneten ihn und deportierten ihn ins Konzentrationslager. Seit 2007 residiert Namibias Botschaft in der sogenannten "Goldstein-Villa".

Mit einem anderen dunklen Kapitel muss sich der Diplomat beruflich häufiger auseinandersetzen: dem Genozid in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia. Zwischen 1904 und 1908 ermordeten deutsche Kolonialsoldaten rund 70.000 Herero und rund die Hälfte des Nama-Volkes. Erst vergangenes Jahr rang sich die Bundesregierung dazu durch, von einem Völkermord zu sprechen. Eine offizielle Entschuldigung hat es aber bislang nicht gegeben.

"Die Situation hat sich sehr positiv entwickelt", lobt Botschafter Guibeb im DW-Interview. Seit Ende vergangenen Jahres verhandeln Diplomaten beider Länder miteinander, wie der Genozid aufgearbeitet soll.

Schwarz-weiß-Aufnahme deutscher Soldaten in Namibia in Uniform (Foto: Getty Images/Three Lions)
Deutsche Soldaten töteten zwischen 1904 und 1908 rund 70.000 HereroBild: picture-alliance/dpa/W. Gebert

"Eine Entschuldigung des deutschen Volkes"

"Wir hoffen, dass es am Ende eine Entschuldigung durch einen hohen Regierungsvertreter gibt, damit es keinen Zweifel mehr gibt, dass es eine Entschuldigung des deutschen Volkes und der deutschen Regierung ist", sagt Botschafter Guibeb.

Die Chancen auf eine Einigung in dieser Frage sind gut. Deutschland müsse sein Bedauern über die Ereignisse vor bald 112 Jahren so zum Ausdruck bringen, dass "die namibische Seite dann sagen kann: 'Ja, das ist jetzt das Wort, die Sätze, auf die wir so lange gewartet haben'", sagte der Sondergesandte für die deutsch-namibische Vergangenheitsbewältigung, Ruprecht Polenz, im Februar.

Doch das reicht manchen Herero-Vertretern noch lange nicht. "Deutschland muss trilateralen Verhandlungen zustimmen. Mit Vertretern der Nama- und Herero-Völker, der namibischen Regierung und der deutschen Regierung", forderte Herero-Oberhaupt Vekuii Rukoro im Deutschlandfunk.

Werden die Nachfahren der Opfer einbezogen?

Zustimmung finden sie damit auch bei Niema Movassat, der für die Linke im Bundestag sitzt. Zusammen mit seiner Fraktion hat er einen Antrag eingebracht, über den der Bundestag am Donnerstag beriet. Die Abgeordneten lehnten ihn mehrheitlich ab.

Demonstranten in Ketten, die das Geschehen 1904 in einer Demo nachstellen (Foto: picture-alliance/dpa/W. Gebert)
Namibias Zivilgesellschaft erinnert regelmäßig an den GenozidBild: picture-alliance/dpa/W. Gebert

"Die Linke" will, dass sich der Bundestag bei den Opfern entschuldigt. Und auch die Zivilgesellschaft soll stärker einbezogen werden.

"Die entscheidende Frage ist: Werden die Angehörigen der Herero und Nama in ein Abkommen zwischen den Regierungen einbezogen? Sie haben klargestellt: Sie werden eine Entschuldigung, die an ihnen vorbei vereinbart wurde, nicht akzeptieren. Das wäre ein Desaster", so Movassat zur DW.

Streit ums Geld

Doch beide Regierungen wollen die Herero-Vertreter nicht an den Verhandlungstisch lassen. Es gehe hier um offizielle Verhandlungen zwischen zwei Regierungen, sagt Botschafter Andreas Guibeb. Seine Regierung habe Vertretern aller Volksgruppen die Möglichkeit gegeben, ihre Vorschläge für die Verhandlungen in ein Komitee einzubringen. Aber eine direkte Teilnahme an den Verhandlungen? "Wenn wir alle traditionellen Autoritäten einbeziehen würden, die wir in Namibia haben, dann hätten wir Verhandlungen durch eine Nationalversammlung", sagt Guibeb.

Zweiter Streitpunkt: Werden die Nachfahren der Opfer finanziell entschädigt? Herero-Chef Vekuii Rukoro hat bereits klargemacht, dass er Entschädigungszahlungen erwartet. Auch die Linke ist dafür. "Die Gebiete der Herero gehören zu den ärmsten im Land. Das hat auch etwas mit dem Völkermord zu tun", sagt der Linken-Abgeordnete Movassat.

Ortsschild und Bahnhof von Lüderitz in Namibia (Foto: picture-alliance/dpa/Tom Schulze)
Spuren der deutschen Kolonialzeit sind noch immer in Namibia sichtbarBild: picture-alliance/dpa/T. Schulze

Kein Ende in Sicht?

Die Bundesregierung verhält sich abwartend. Seit Jahren leistet sie indirekte Wiedergutmachung - über Entwicklungshilfe. Namibia hat seit der Unabhängigkeit mehr als 800 Millionen Euro aus Deutschland bekommen. Gegenüber dem Deutschlandfunk wollte der deutsche Verhandlungsführer Ruprecht Polenz direkte Zahlungen an die Herero und die Nama nicht in Aussicht stellen.

Genug Diskussionsstoff also. Wann die Gespräche abgeschlossen sind, will daher niemand sagen. Man hoffe auf einen "zügigen Abschluss", teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes der DW auf Anfrage mit.