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Nahles: "Große Schnittmenge"

Christina Bergmann / Charlotte (North Carolina)6. September 2012

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles stellt auf dem Demokraten-Parteitag fest, dass die Gemeinsamkeiten mit ihrer Partei gewachsen sind. Ein Präsident Mitt Romney wäre nicht gut für Amerika und Europa, meint sie.

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Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles beim Nominierungsparteitag der Demokratischen Partei in Charlotte / North Carolina. Foto: Christina Bergmann
Bild: DW

Deutsche Welle: Frau Nahles, Sie beobachten den Parteitag hier in Charlotte hautnah. Welche Ideen nehmen Sie mit nach Hause?

Andrea Nahles: Mir gefällt hier sehr gut, dass wir eine sehr geschlossene Demokratische Partei erleben, dass hier wirklich der Wille da ist, ein modernes Amerika gegen einen reaktionären Schub durch die Republikaner zu verteidigen. Und ich nehme mit, dass hier sehr stark auf Chancengleichheit, auf faire Löhne gesetzt wird, dass die Schnittmenge mit den deutschen Sozialdemokraten sehr groß geworden ist - das war nicht immer so - und dass ein globales Zusammenwachsen festzustellen ist. Das hat sicherlich auch mit der globalen Finanzkrise zu tun.

Können Sie sich einen dreitägigen Parteitag, wie er hier inszeniert wird, in Deutschland vorstellen?

Wir sind natürlich Waisenknaben im Verhältnis zu der Inszenierung, die man hier in den USA erlebt. Das würde allerdings in Deutschland auch als künstlich wahrgenommen. Man kann hier aber auch sehr schön sehen, dass die Demokraten ganz toll die Basis mobilisieren. In der Kampagnenleitung weiß man ziemlich genau, was in Ohio oder Texas gerade vor Ort passiert. Mir gefällt auch gut, dass die Demokraten den Aktiven sehr viel Anerkennung zukommen lassen, es gibt sehr viel Lob, sehr viel Motivation. Bei uns ist Wahlkampf oft Pflicht. Und das muss man ein bisschen ändern, denn die Leute opfern ja ihre Zeit - ihre Freizeit.

Demokrat David Fagus sitzt in seinem Wahlkampfbüro im Norden Chicagos. Foto: Christina Bergmann Ort: Chicago Illinois
Lob und Anerkennung hält Wahlkämpfer wie David Fagus seit Jahrzehnten im TeamBild: DW

Muss der Wahlkampf dazu auch emotionaler werden?

Ich glaube, in Deutschland gibt es eine Grenze, die in den USA permanent überschritten wird. In Deutschland will man nicht Politiker im "Seelenstriptease" erleben. Ich finde aber toll, dass hier Menschen und Schicksale gezeigt werden, die echt sind. Die Probleme der Menschen werden den Wählerinnen und Wählern persönlich deutlich gemacht. Es ist natürlich immer mit Emotion verbunden, macht aber auch die Sachen klarer, um die es in der Wahlkampagne eigentlich geht. Warum sollte nicht auch etwas mehr davon in den manchmal etwas trockenen und verkopft daherkommenden Wahlkämpfen in Deutschland einbauen?

Die Sozialpolitik ist in Deutschland und den USA gerade das große Thema. Wie nah stehen sich da die amerikanischen Demokraten und die deutschen Sozialdemokraten?

Die Sozialsysteme sind zwar unterschiedlich, aber es gibt gemeinsame Probleme. Wir haben darüber diskutiert, wie stark Lobbyinteressen richtige Reformen des Gesundheitssystems zum Wohle der Mehrheit der Menschen behindern oder sogar verhindern und wie man mit den Machtkartellen großer Unternehmen umgehen kann. Sehr häufig werde ich in der letzten Zeit nach Kurzarbeit gefragt. Die Idee, in Krisenzeiten die Arbeitszeit zu verkürzen und das staatlich zu fördern, finden die Amerikaner wahnsinnig innovativ - obwohl es in Deutschland eigentlich eine alte Sache ist. 2008 hat es bei uns sehr gut funktioniert. Es gibt interessanterweise zunehmend die Frage: "Wie macht ihr das in Deutschland?"

Wie nehmen Sie das politische Klima wahr, das hier zwischen Demokraten und Republikanern herrscht?

Das politische Klima in den USA ist völlig vergiftet. Die Wahlkämpfe werden immer härter, es geht immer mehr in Richtung persönliche Diffamierungen. Das ist ein Pfad, von dem ich mir wünsche, dass er nie in Deutschland oder in Europa in der Form wirklich beschritten wird.

Sie haben gesagt, Sie drücken Barack Obama die Daumen. Wie wichtig ist denn seine Wiederwahl, auch mit Blick auf die transatlantischen Beziehungen?

Sehr wichtig, glaube ich. Ich empfinde die Auseinandersetzung hier so, dass es um ein modernes, weltoffenes Amerika geht, das die internationale Ebene stärker im Fokus hat. Dafür steht aus meiner Sicht die Obama-Regierung und Obama selbst. Auf der anderen Seite sehe ich, dass die Tea-Party-Bewegung in einer Regierung von Mitt Romney möglicherweise großen Einfluss ausüben wird. Das können wir nicht wollen. Meine Prognose ist, dass das Amerika und Europa weiter auseinander treibt. Ich denke, dass die ökonomische Krise nur gemeinsam bewältigt werden kann. Deswegen sollten wir nicht zulassen, dass die Kluft zwischen Europa und den USA größer wird. Mitt Romney hat Europa besucht und einen verheerenden Eindruck hinterlassen. So wenig Fingerspitzengefühl hatte ich überhaupt nicht vermutet, das war für mich eine völlige Überraschung. Deshalb setzt die Mehrheit der Deutschen - und natürlich auch der deutschen Sozialdemokraten - auf Obama.

Präsident Bill Clinton wirbt für Wiederwahl Barack Obamas. Foto: REUTERS/Jason Reed
Hand in Hand: Ex-Präsident Bill Clinton wirbt für Wiederwahl Barack ObamasBild: Reuters

Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nimmt derzeit in den USA am International Leaders Forum teil, das internationale Führungspersönlichkeiten aus dem gesamten politischen Spektrum zusammenbringt. Zudem besucht sie den zeitgleich stattfinden Nominierungsparteitag der Demokratischen Partei in Charlotte / North Carolina.