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Nahendes Referendum, wachsende Probleme

6. September 2010

Der Südsudan soll im Januar über seine Unabhängigkeit abstimmen. Doch die Verhandlungen zwischen Nord- und Südsudan sind ins Stocken geraten. Experten hoffen auf Last-Minute-Entscheidungen und warnen vor Krieg.

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Anhänger der Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung in Nairobi. Foto: ap
Viele Südsudanesen wünschen sich die UnabhängigkeitBild: AP

Für Barnaba Marial Benjamin ist es die nächste Schikane der sudanesischen Regierung. Von heute auf morgen, behauptet der südsudanesische Informationsminister, zahlte der Norden seine Ölexporte aus dem Süden nicht mehr in Dollar, sondern in sudanesischen Pfund. Die Währung ist viel schwächer und verringert somit drastisch die südsudanesischen Einnahmen. "Das sind einige der Methoden, die eingesetzt werden, um das Referendum zu behindern", beklagt sich Benjamin. Für ihn ist es offensichtlich: Die Regierung in Khartum versucht das Referendum zu verschieben. Zwar wurde vor fünf Jahren der längste Bürgerkrieg Afrikas durch einen vielversprechenden Friedensvertrag beendet. "Aber am wichtigsten ist, dass man sich an das Friedensabkommen hält. Im Sudan wurden schon etliche Friedensverträge unterschrieben, aber die Umsetzung ist eine andere Sache", sagt Moses Monday John, Direktor der sudanesischen Nicht-Regierungsorgansiation SONAD.

Der Süden hat das Öl, der Norden die Pipeline

Ölförderung im Südsudan. Foto: ap
Ölförderung im SüdsudanBild: AP

Im Friedensvertrag von 2005 steht, dass Norden und Süden sich vor dem Referendum über drei zentrale Themen verständigen. Aber genau da sind die Verhandlungen ins Stocken geraten. Zum einen geht es um Erdöl, der Hauptgrund warum der Norden die potentielle Abspaltung des Südens nicht gerne sieht. Obwohl Präsident Omar al-Bashir immer wieder bekräftigt, dass er die Abspaltung des Südens durch das Referendum akzeptieren würde, auf das Öl will er nicht verzichten. Und al-Bashirs regierende Partei, die "Nationale Kongresspartei", hat ein Druckmittel gegenüber der Regierungspartei im Süden, der SPLM: Denn während der Großteil des Öls im Süden liegt, führt die einzige Pipeline zum Hafen in Port Sudan – und der liegt im Norden. "Diese gegenseitige Abhängigkeit würde ich als etwas Positives sehen", sagt Anja Dargatz, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Khartum. "Wenn rational verhandelt werden würde, könnte man sagen: Der Norden bekommt einen Anteil des Öls und erlaubt im Gegenzug dazu, seine Pipeline nach Port Sudan zu benutzen."

Erdöl, Staatsbürgerschaft, Grenzen

Sudans Präsident al-Bashir in Libyen. Foto: dpa
Wird er das Ergebnis des Referendums akzeptieren? Präsident al-BashirBild: dpa

Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage der Staatsbürgerschaft. Welchen Pass bekommen Südsudanesen, die während des Krieges in den Norden geflüchtet sind? Wie werden die Nordsudanesen im Südsudan behandelt? Außerdem konnten sich beide Seiten noch nicht auf den endgültigen Grenzverlauf einigen.

Erdöl, Staatsbürgerschaft, Grenzen – darüber reden beide Seiten im Moment. Die Probleme seien eigentlich einfach zu lösen, meint Anja Dargatz. Aber es mangele am politischen Willen und deshalb gebe es keinen Fortschritt. "Das einzige, was einen vielleicht optimistisch stimmen kann, ist die Erfahrung, dass die Führungen von SPLM und National Congress Party sehr gut in Last-Minute-Entscheidungen sind", so Dargatz. Im Dezember letzten Jahres seien zum Beispiel innerhalb von zwei, drei Tagen die relevantesten Gesetze durchgeboxt worden. Immerhin reden beide Seiten miteinander und nach monatelangem Hin und Her konnten sie sich letzte Woche auch auf einen Leiter der Referendumskommission einigen.

Hoffnung auf Last-Minute-Entscheidungen, Angst vor Krieg

Allerdings ist Dargatz nicht überzeugt, dass die Last-Minute-Strategie immer funktioniert: "Die Frage ist, ob das Schema diesmal wieder gilt oder ob das Referendum ein anderes Kaliber ist und man tatsächlich keine Einigung findet. Das wäre tatsächlich dramatisch." Seit dem Friedensabkommen 2005 haben beide Seiten kontinuierlich aufgerüstet. Ein aktueller Bericht der International Crisis Group bestätigt die angespannte Situation an der Grenze zwischen Nord- und Südsudan. Die Zeit für Verhandlungen, aber vor allem Entscheidungen drängt.

Autor: Adrian Kriesch

Redaktion: Klaudia Pape