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Nah am Leben gefilmt

Jörg Taszman14. November 2005

Lakonisch, unprätentiös, nah am Alltag, aber keineswegs alltäglich: Andreas Dresen, Jahrgang 1963, ist der sensible Chronist unter den deutschen Filmemachern. Ein Porträt.

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Regisseur Andreas DresenBild: dpa
Halbe Treppe - Dresen
"Halbe Treppe" in Frankfurt (Oder)

Seit seinem Spielfilmdebüt 1992 mit "Stilles Land" überzeugt Andreas Dresen im Fernsehen wie im Kino. Am bekanntesten ist "Halbe Treppe" (2003), im Ausland auch unter dem Titel "Grill Point" gezeigt. Es geht um vier Freunde in der Mitte des Lebens, von denen zwei einfach so eine Affäre beginnen. "Halbe Treppe" entstand in gemeinsamer Arbeit zwischen dem Regisseur und seinen vier Hauptdarstellern in einer Neubauwohnung in Frankfurt/Oder - authentisch und witzig.

Die Vergangenheit ist nicht fort

Dresen sucht immer wieder nach neuen Wegen, dreht ebenso für das Kino wie für das Fernsehen, führt auch Regie am Theater und wird demnächst sogar eine Oper inszenieren. In seinen letzten vier Arbeiten für die Leinwand hat er sich - immer wieder unterschiedlich - mit der Nachwendezeit auseinandergesetzt.

Herr Wichmann von der CDU
"Herr Wichmann von der CDU"Bild: Presse

Nach "Halbe Treppe" drehte er den Dokumentarfilm "Herr Wichmann von der CDU". Dort macht Dresen deutlich, wie sehr es Deutschland an Visionen und Utopien mangelt. Dieser Vorwurf richtet sich nicht nur an die Politiker. Dresen bezieht sich selbst und die Zuschauer mit ein: 16 Jahre nach der Wende ist irgendwie Ruhe eingekehrt, solche "Dinge" wie die DDR sind längt Vergangenheit. Aber einem Mann wie Dresen lässt genau das keine Ruhe - schon gar nicht in einer Zeit wie jetzt, "wo es überall kracht", wie er sagt. Wie in der Bundesrepublik mit der DDR-Vergangenheit umgegangen wird, das wurmt den Filmemacher aus Gera, der in Potsdam lebt.

In der Heimat

Film Willenbrock gespielt von Axel Prahl Andreas Dresen regie
"Willenbrock"Bild: dpa

2005 verfilmte Dresen eine Wendegeschichte mit Ecken und Kanten: "Willenbrock", nach einem Buch von Christoph Hein. "Willenbrock" ist ein umtriebiger Autohändler und ostdeutscher Mittelständler, dem es zunächst einmal gut geht. Doch dann bringen ein Einbruch in seinem Sommerhaus, weitere Diebstähle und eine missglückte Affäre seine heile Welt ins Wanken. Andreas Dresen hat wieder einmal ganz bewusst in Ostdeutschland gedeht. "Ein kluger Mensch hat einmal gesagt: 'Heimat ist da, wo Erinnerung sich auskennt'. Für mich kennt sich die Erinnerung zumindest bis 1989 in der DDR aus - und danach auch schon 16 Jahre in dem größer gewordenen Land", erklärt er.

Prominente Arbeiten

Zum Abschluss der Dreharbeiten zu "Willenbrock" bekam Andreas Dresen ein 30-seitiges Treatment von Wolfgang Kohlhaase zu lesen: Kohlhaase ist der wahrscheinlich beste Drehbuchautor der ehemaligen DDR. Er schrieb "Solo Sunny" für Konrad Wolf und arbeitete zuletzt mit Volker Schlöndorff in "Die Stille nach dem Schuss". Kohlhaases neue Geschichte "Sommer vorm Balkon" über zwei Freundinnen im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg gefiel Dresen sofort: Er beschloss, sie zu verfilmen. Fertig gestellt wurde "Sommer vorm Balkon" von den Produzenten der auch international erfolgreichen Filme "Goodbye Lenin", "Alles auf Zucker" und "Lola rennt": Tom Tykwer und Dani Levy.

Behutsamer Chronist

"Sommer vorm Balkon" erzählt die Geschichte zweier Frauen: der Ostberlinerin Nike und ihrer Freundin Katrin, einer allein erziehenden Mutter aus dem Westen. Der Film besticht durch seine Leichtigkeit, die lebensnahen, beinahe banalen Situationen und lakonischen Dialoge. Beim Filmfestival in San Sebastian erhielt er eine wichtige Auszeichnung, im Januar 2006 kommt er in die Kinos.

Auch wenn Dresen behauptet, einfach eine leichte "Sommerkomödie" gedreht zu haben, so erweist er sich doch erneut als ein behutsamer Chronist des Lebens. Im deutschen Film ist derzeit kein anderer so unprätentiös nah dran.