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Nachbarschaftshilfe statt Besatzung?

Peter Phillip2. August 2004

Auf der Suche nach Alternativen zur US-amerikanischen Besatzung im Irak gibt es immer wieder neue Vorschläge. Die neueste Idee: Soldaten islamischer Staaten fänden als Besatzer mehr Akzeptanz.

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Islamische Soldaten statt US-BesatzungBild: AP

Truppen islamischer Staaten sollen den friedlichen Aufbau des Irak absichern und den Übergang des Landes zu einer Demokratie begleiten – das hat der irakische Übergangspremiers Ijad Allawi zum Ende seiner Nahost-Rundreise in Saudi-Arabien vorgeschlagen. Allawi und seine amerikanischen Patrone sind grundsätzlich einverstanden. Doch problemlos ist diese Alternative zur jetzigen US-Besatzung nicht.

Wer darf überhaupt?

Der Teufel steckt im Detail, denn offen bleibt zunächst die Frage, welche Staaten für solch eine Aufgabe in Betracht kommen. Als sich vor einigen Wochen Jordaniens König Abdullah mit einem halbherzigen Angebot, Truppen zur Verfügung zu stellen, vorwagte, da lehnte man in Bagdad dankend ab: Die Nachbarländer seien bereits in der Vergangenheit zu sehr in die inneren Angelegenheiten des Irak verstrickt gewesen, als dass man sie nun als neutrale Schlichter oder Friedensmacht akzeptieren könne.

Dieses Argument wurde auch jetzt wieder vorgebracht: Militärische Hilfe? Ja, gerne. Aber bitte nicht von den direkten Nachbarn. Von denen wäre Jordanien sicher noch der am wenigsten Verdächtige: Der verstorbene König Hussein hatte sich lange offen auf die Seite des Irak gestellt - was ihm neben irakischem Öl weltweite Kritik einhandelte.

Syrien wird mißtrauisch beäugt

Syrien hingegen lag lange Jahre im ideologischen und strategischen Zwist mit dem Irak und wird - als lange einziger arabischer Verbündeter des Iran - in Bagdad immer noch misstrauisch beäugt. Immerhin gelang es Allawi jetzt bei einem Besuch in Damaskus, Präsident Baschar el Assad die Zusage abzuringen, dass Syrien sich mehr bemühen werde, das Eindringen feindlicher Elemente in den Irak zu unterbinden. Was solch eine Zusage wert ist, bleibt abzuwarten. Immerhin sollen die meisten Infiltranten bisher mit offener Duldung - wenn nicht gar Unterstützung - Syriens die Grenze überquert haben. Außerdem gibt es ein warnendes Vorbild: Syrische Truppen stehen seit den 1970-er Jahren im Libanon, wo sie als "Friedenstruppen" zunächst die Christen im Bürgerkrieg unterstützten. Diese Truppen stehen heute noch im Libanon und sind ein praktisches Instrument zur Beeinflussung der dortigen Entwicklungen.

Saudi-Arabien hat seit langem Interesse daran, seine extrem konservative sunnitisch-wahabitische Ausrichtung des Islam in das Nachbarland hineinzutragen, in dem eine schiitische Bevölkerungsmehrheit lebt. Kuwait hat die irakische Invasion von 1991 nicht vergessen, der Iran nicht den jahrelangen ersten Golfkrieg, und die Türkei betrachtet den kurdischen Nord-Irak immer noch als Teil zumindest ihrer "natürlichen Einfluss-Sphäre".

Eigeninteressen sind im Spiel

Es dürfte daher fraglich sein, wie verlässlich die Truppen solcher Nachbarn sind - auf der anderen Seite: Es sind genau die Nachbarstaaten, die schlechte Erfahrungen mit dem Irak gemacht haben und die deswegen ein besonderes Interesse daran haben, dass dort endlich Ruhe einkehrt. Weiter entfernten islamischen Staaten (sowohl arabischen als auch nicht-arabischen) hingegen fehlt meist der innere Bezug zum Irak. Sie wollen - wie manche Europäer ja auch - nicht in den Verdacht geraten, mit einem militärischen Engagement im Irak nachträglich den Krieg zu legitimieren. Und allen fehlt es an Entschlusskraft wie Erfahrung.