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Nachahmereffekt nach Terroranschlägen?

Nele Rößler
5. September 2017

Auf unseren Beitrag über den Werther-Effekt nach Terroranschlägen gab es viele Reaktionen. Einige waren so interessant, dass wir sie hier veröffentlichen. Und einige Fragen mussten wir einfach beantworten.

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Barcelona Terror Zeitungen Presseschau
Bild: Getty Images/AFP/G. Bouys

Je mehr mediale Aufmerksamkeit desto mehr Terrorattacken - das ist das Ergebnis einerStudie der University of Western Australia, des IZA Bonn und des CESifo München. Wir haben darüber berichtet.

Es gab viele Reaktionen, vor allem auf Twitter. 

Eine häufig gestellte Frage: Entspricht die Studie wissenschaftlichen Standards? Wurde hier nicht einfach Kausalität (eine Sache bewirkt eine andere) mit Korrelation (etwas wird mehr und eine andere Sache wird auch mehr) verwechselt? 

Bei den Diskussionen auf Twitter schaltete sich auch Michael Jetter ein. Er ist Medienökonom und Autor der Studie . 

Jetter hat die Frage für die Deutsche Welle noch einmal genauer beantwortet: 

"Man kann statistisch für Kausalität zwischen zwei Variablen, in diesem Fall Medienberichterstattung über Terrorismus und darauffolgende Anschläge, testen wenn man eine sogenannte Instrumentalvariable findet. Das heißt etwas, das die Berichterstattung beeinträchtigt, aber ansonsten nichts mit Terrorismus zu tun hat."

Michael Jetter hat dafür Naturkatastrophen genutzt. "An Tagen, an denen eine Naturkatastrophe irgendwo passiert, berichten die Medien automatisch weniger über Terror. In den Tagen und Wochen darauf passieren systematisch weniger Terroranschläge."

Ein anderer Twitter-Nutzer fordert eine Gegenprüfung. 

Michael Jetter sagt zudem: "Der einzige Weg, über den eine Naturkatastrophe zum Beispiel in den USA eine Terrorgruppe irgendwo auf der Welt beeinflussen kann, ist über die verringerte Medienaufmerksamkeit. Dieser Mechanismus erlaubt es einem, auf Kausalität zwischen der Berichterstattung über eine Terrogruppe, zum Beispiel Al-Qaeda und darauffolgenden Anschlägen zu testen." Seiner Studie zufolge wäre ein Artikel in der New York Times in 1,4 Attacken in der folgenden Woche zu übersetzen oder in drei Kausalzusammenhänge. Michael Jesser erklärt, was dieser Satz bedeutet: "Ein New York Times Artikel führt aktiv, also kausal zu 1.4 Anschlägen in der nächsten Woche, das bedeutet im Durchschnitt drei Tote." 

Michael Jetter analysierte die Berichterstattung der New York Times an 61.132 Tagen, an denen Terrorattacken stattgefunden haben. Er erforschte einen Zeitraum von 43 Jahren mit einer geografischen Reichweite von 201 Ländern. Dabei hat er getestet, ob ein Zusammenhang zwischen der medialen Berichterstattung und darauffolgenden Terrorattacken besteht. Die Studie sei also signifikant, sagt er.

Das Journal of Public Economics hat die Studie veröffentlicht. Das Magazin ist im wirtschaftswissenschaftlichen Publikationsranking des Tinbergen-Instituts an der Universität Amsterdam in der Kategorie A geführt, das bedeutet: „sehr gute allgemeine wirtschaftswissenschaftliche Fachzeitschriften und Spitzenzeitschriften im jeweiligen Fachgebiet“. Eine weitere Studie der französischen Ökonomen Pierre-Phillippe Combes und Laurent Linnemer listet das Journal auf Rang 14 der wirtschaftswissenschaftlichen Zeitschriften in die zweitbeste Kategorie AA ein.

Marcel Arts kommentiert die Auswahl der New York Times.

Michael Jesse erklärt, warum er die New York Times ausgewählt hat: "Ich habe die NYT gewählt, weil es die größte, einflussreichste und repräsentativste Tageszeitung der westlichen Welt ist und weil die Daten alle online verfügbar sind."

Michael Jetter zieht aus der Studie die Schlussfolgerung, dass weniger über Anschläge berichtet werden muss. "Dann sehen wir auch weniger Anschläge." Einige Twitter-Nutzer sehen das anders: 


Es gibt aber auch Fürsprache für die Forderung von Michael Jetter, dass die Medien weniger über Terrorattacken berichten sollen.

Ein Nutzer rät zu mehr Besonnenheit: 


Offen bleibt die Frage, ob der beobachtete Effekt auch abhängig davon ist, wie reißerisch oder nüchtern die Medien berichten. Die vielen Zuschriften die bei uns eingegangen sind, haben allemal gezeigt, dass Michael Jetter einen Nerv getroffen hat.