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Politik

Rumänische Demokratie in Gefahr

Peter Janku
16. Januar 2018

Nach einem kurzen Machtkampf musste Rumäniens Regierungschef Mihai Tudose zurücktreten. Präsident Johannis hat den Verteidigungsminister Mihai Fifor als Interims-Premier ernannt. Doch die politische Krise geht weiter.

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Rumänien Liviu Dragnea
Mihai Tudose (l.) hinter PSD-Parteichef Liviu Dragnea Bild: Getty Images/AFP/D. Mihailescu

Nein, als Interims-Premier stehe er keineswegs zur Verfügung, hatte Mihai Tudose am Montag auf die Frage geantwortet, wie es denn in Rumänien weitergehen solle. Er gehe "hocherhobenen Hauptes", fügte er am Vortag des Besuchs seines japanischen Amtskollegen Shinzo Abe hinzu.

Der bockige Ton des vom Führungsgremium seiner Partei geschassten sozialdemokratischen Regierungschefs überraschte nicht. Nur für sieben Monate hatte es der 50-Jährige geschafft, dem Schicksal seines Vorgängers Sorin Grindeanu zu entgehen.

Beide hatten es mehrfach gewagt, sich ihrem immer umstritteneren und mächtigeren Parteichef Liviu Dragnea in den Weg zu stellen. Beide hatten dessen Lieblingsprojekt hintertrieben: die von Opposition, Justiz, Zivilgesellschaft sowie von der EU und den USA als schädlich für den Rechtsstaat kritisierte Justizreform. Und beide mussten ihre kurzfristige Eigenständigkeit mit ihrem Amt bezahlen.

Kurzer Machtkampf zwischen Tudose und Dragnea

Mit dem kaum glaubhaft begründeten Entzug des Vertrauens der linkspopulistischen PSD am Montagabend war Tudoses Machtkampf allerdings kürzer als die Auseinandersetzung seines Vorgängers mit Liviu Dragnea. Nur wenige Tage zuvor hatte Tudose die Innenministerin Carmen Dan, eine langjährige, wichtige Vertraute Dragneas, der Lüge bezichtigt und ihren Rücktritt gefordert.

Noch einmal wollte der PSD-Chef und Präsident des rumänischen Abgeordnetenhauses Dragnea auf einen entscheidenden Intimus und Helfershelfer aus der Regierung keineswegs verzichten. Gerade vor dem Hintergrund, dass er wegen Wahlmanipulation zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde und daher selbst keinen Zutritt zur Regierung hat. Gleichzeitig sind neue Massenproteste im Land angekündigt - und auch vorgezogene Neuwahlen könnten sich abzeichnen. In diesem Zusammenhang scheint dem starken Mann in Bukarest, der seine lädierte Autorität aufrechterhalten will, die Kontrolle über das Innenministerium wichtiger als alles Andere zu sein. Wichtiger, jedenfalls, als die politische oder wirtschaftliche Stabilität und die Festigkeit der Landeswährung. 

Drei Monate zuvor hatte Tudose zwei weitere enge Freundinnen Dragneas aus dem Kabinett entfernt und den Unmut des mächtigen Politikers erregt. Seinen Kritikern zufolge setzt er alles daran, um weiteren Verurteilungen, die seiner politischen Karriere ein jähes Ende bereiten könnten, zu entgehen. Unter anderem wird er der Veruntreuung von EU-Fonds, der Dokumentenfälschung und des Amtsmissbrauchs verdächtigt. Der schwerreiche Oligarch hat im Dezember 2017 im Parlament im Rekordtempo Gesetzesänderungen durchgeboxt, die der Unabhängigkeit der Justiz den Todesstoß versetzen.

Rumänien Bukarest Proteste Korruption Gesetz
Zehntausende Rumänen gehen gegen die Justizreform auf die Straße - für Samstag sind weitere Massenproteste geplant Bild: picture-alliance/AP/V. Ghirda

Justizreformen gefährden den Rechtsstaat

Kritiker Dragneas im In- und Ausland sind sich einig: Durch eine Politisierung der Justiz, die massive Drosselung der Befugnisse der Polizei sowie der Strafverfolgungs- und Antikorruptionsbehörden würden sich Dragnea und seine Koalitionspartner blütenweiße Westen verschaffen und müssten sich vor keiner Strafverfolgung mehr fürchten.

Dass der Rechtsstaat dabei auf der Strecke zu bleiben droht, scheint weder den PSD-Chef noch seine politischen Kumpanen sonderlich zu kümmern. Sie profitieren allesamt fröhlich vom Windschatten, in dem sich das zweitärmste Land der EU seit Monaten und Jahren bewegt - hinter den im Westen weitaus schärfer kritisierten EU-Staaten Polen und Ungarn. Im Inland versteckt sich die Führungselite, die der russischen Oligarchie ähnelt, hinter seit Jahren gegängelten und gleichgeschalteten Medien und von diesen munter verbreiteten anti-westlichen Verschwörungstheorien. Diesen zufolge sei in Rumänien mal der jüdische US-Milliardär George Soros, mal ein ominöser, nie richtig definierter "Parallelstaat" am Werk, um Dragnea und seiner Partei die Macht zu entreißen.  

Zwar gibt es in Rumänien immer noch ein robustes Wirtschaftswachstum, dank der 2015 von der Technokraten-Regierung unter Dacian Ciolos gelegten ökonomischen Weichen. Doch bei den Bürgern kommt nicht viel davon an, bittere Armut ist nach wie vor verbreitet.

Schwierige Zeiten für Staatspräsident Johannis 

Die Unzufriedenheit über Armut, Korruption und fehlende Rechtssicherheit - vor allem bei der neu entstandenen Mittelschicht und potenziellen Kapitalanlegern - bremst nicht nur neue Investitionen. Sie führt auch dazu, dass immer mehr Fachkräfte und Wissenschaftler auswandern. Zudem entzieht dieser "Braindrain" dem Land nicht nur lebenswichtiges "Humankapital". Wirkungsvoll von russischer Propaganda unterminiert, wandert mit den Menschen auch die stetig schrumpfende Sympathie für die EU und die Demokratie aus.  

Der deutschstämmige Staatschef Klaus Johannis, der Anfang 2017 an Massendemonstrationen für die Aufrechterhaltung des Rechtsstaats in Bukarest teilnahm, wird es schwer haben, diese Erosion der Demokratie aufzuhalten. Ihm sind enge verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt - und er kann leicht seines Amtes enthoben werden, was Regierungsvertreter in den letzten Tagen mehrfach deutlich gemacht haben. Am Dienstag hat Johannis den Verteidigungsminister Mihai Fifor als Interims-Premier ernannt. Es bleibt abzuwarten, ob er den Vorschlag der PSD annimmt, eine weitere Vertraute Dragneas, Viorica Dancila, ins Amt des Regierungschefs zu ernennen. Den Bürgern bleibt noch die Hoffnung auf den geplanten Massenprotest am Samstag und auf ein unüberhörbares Einschreiten der wichtigsten westlichen Regierungschefs wie Merkel und Trump.