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Nach Köhlers Entscheidung: Wie geht es jetzt weiter?

Steffen Leidel 22. Juli 2005

Bundespräsident Köhler hat den Bundestag aufgelöst. Der Weg zu Neuwahlen ist nun frei, wenn nicht das Bundesverfassungsgericht dem Vorhaben noch einen Riegel vorschiebt. Was sind die möglichen Szenarien?

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Was sagen die Hüter der Verfassung?Bild: dpa

Warum ist der Termin für Neuwahlen auf den 18. September angesetzt?

Laut Grundgesetz müssen Neuwahlen spätestens 60 Tage nach Auflösung des Bundestages abgehalten werden. Köhler hat mit seiner Entscheidung bis zum 21. Juli gewartet, damit der Wahltermin auf Sonntag den 18. September fallen kann. Eine vorherige Wahl war nicht gewünscht, weil in den beiden Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern der Sonntag davor der letzte Tag der Schulferien ist. Während der Schulferien werden Wahlen traditionell nicht abgehalten.

Können Neuwahlen nach der Zustimmung Köhlers noch gestoppt werden?

Theoretisch ja, wenn die Bundestagsabgeordneten und/oder Parteien, die sich in ihren verfassungsmäßigen Rechten beeinträchtigt sehen, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einlegen und damit erfolgreich sind. Der Grünen-Abgeordnete Werner Schulz und die SPD-Parlamentarierin Jelena Hoffmann und mehrere kleinere Parteien haben bereits angekündigt, im Falle von Neuwahlen vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu ziehen. Nach Ansicht der Klagewilligen hat Schröder die Vertrauensfrage für seinen Zweck, Neuwahlen anzusetzen, missbraucht. Eine Voraussetzung für die Neuwahl ist aber nach der Verfassung, dass Schröder sich tatsächlich nicht mehr auf das stetige Vertrauen der Mehrheit der Bundestagsmitglieder verlassen kann. Damit hatte er die Vertrauensfrage begründet.

Wie lange würden die Verfassungsrichter für eine Entscheidung brauchen?

Als Helmut Kohl (CDU) 1983 die Vertrauensfrage stellte, urteilten die Verfassungsrichter 28 Tage nach Eingang der Klage. Schneller geht es bei Eilentscheidungen, die zunächst nicht begründet werden müssen. Innerhalb von zehn Tagen beschlossen die Richter zum Beispiel Mitte Juni die Fortführung des Visa-Untersuchungsausschusses.

Gilt die 60-Tage Frist bis zu den Neuwahlen auch für die Verfassungsrichter oder können Sie sich für ihre Entscheidung mehr Zeit lassen?

Die Richter könnten durchaus in einer einstweiligen Anordnung zu der Ansicht kommen, dass sie wegen der Komplexität der Materie mehr Zeit für ihre Entscheidung brauchen, dann könnte der Termin durchaus noch verschoben werden.

Was passiert wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, dass die Auflösung des Bundestages verfassungswidrig ist?

Deutschland wäre erst einmal in Aufregung. Sollten die Karlsruher Richter zu dem Schluss kommen, dass Schröder die Vertrauensfrage missbrauchte, wäre auch Köhler im Amt beschädigt. Die Regierung würde in dem Fall als handlungsunfähig dastehen, wie es Schröder selbst beschrieben hatte. Einen "Plan B" als Alternative zur Neuwahl gibt es nach Angaben von SPD-Chef Franz Müntefering nicht. Einen Rücktritt des Kanzlers schloss er aus. Dann sei die rot-grüne Koalition durch höchstrichterlichen Spruch dazu verurteilt, weiter zu regieren, sagte der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse. Rot-Grün würde demnach erst einmal mit Schröder weiterregieren, was der Bevölkerung nur schwer zu vermitteln wäre. 75 Prozent der Deutschen wünschen sich nach einer Umfrage eine Neuwahl.