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Terrorverdacht in Moskau

14. August 2007

Der russische Geheimdienst verdächtigt offen tschetschenische Rebellen hinter dem Bombenanschlag auf einen Passagierzug. Nach zwei unbekannten Verdächtigen wird gefahndet. Die Hintergründe sind aber noch immer ungeklärt.

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Mann inspiziert Trümmer des Zuges
Zugunglück angeblich durch ferngesteuerte Bombe verursachtBild: AP
Helfer bergen die Verletzten (Quelle: AP)
Helfer bergen die VerletztenBild: AP

Nach dem Bombenanschlag auf einen Schnellzug hat die russische Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts eines terroristischen Hintergrunds aufgenommen. Der Chef des Geheimdienstes (FSB), Nikolai Patruschew, brachte am Dienstag (14.8.) eine Verwicklung tschetschenischer Extremisten ins Spiel. Knapp 40 der 60 Verletzten wurden unterdessen in einem Krankenhaus nahe dem Unglücksort im Nordwesten Russlands behandelt.

Ermittler: Zwei Verdächtige und eine ferngezündete Bombe

Ermittler haben erste Hinweise auf zwei Verdächtige erhalten, meldet die Agentur Interfax unter Berufung auf das russische Innenministerium. Die Männer seien vor der Explosion an der Bahnstrecke von Passanten gesehen worden. Experten erstellten auf Grundlage von Zeugenbeschreibungen Phantombilder, um nach den Männern zu fahnden.

Der Zug, eine bei Geschäftsreisenden und Touristen beliebte Nachtverbindung von Moskau nach St. Petersburg, war am Montagabend nahe dem Dorf Malaja Wischera entgleist.

Das schwere Zugunglück wurde angeblich durch eine ferngezündete Bombe verursacht. Das russische Innenministerium teilte am Dienstag nach ersten Ermittlungen mit, der Sprengsatz sei vor der Lokomotive des mit 251 Menschen besetzten Zuges explodiert.

Nach Angaben der Ermittler befand sich der selbstgebaute Sprengsatz im Gleisbett, wie die Agentur Interfax meldete. Die Explosion riss einen eineinhalb Meter großen Krater in den Boden. Der Zug entgleiste. Die Wucht des Sprengsatzes entsprach laut Ermittlern der Stärke von zwei Kilogramm TNT.

Zwei Meter breiter Krater

Mann inspiziert Zugtrümmer (Quelle: AP)
Bisher hat sich niemand zur Tat bekanntBild: AP

Augenzeugen zufolge war die Bombe auf einer Brücke deponiert. Sie soll einen zwei Meter breiten Krater in das Bauwerk gerissen haben. Der Zug sprang direkt nach Überqueren dieser Brücke aus den Gleisen. Fast alle Waggons entgleisten, mindestens drei kippten um. Der russischen Bahn zufolge sind die Gleise auf einer Strecke von 800 Metern schwer beschädigt.

"Wir haben zwei Explosionen gehört, dann wurden sehr schnell die Bremsen gezogen", sagte ein Zugbegleiter der Nachrichtenagentur Reuters. "Panik brach aus." Die meisten Verletzten habe es im Speisewagen gegeben, sagte er. Die Schaffner hätten die Scheiben eingeschlagen und den Reisenden geholfen, aus dem Zug zu klettern.

Tschetschenische Extremisten verdächtigt

Extremisten, die der Kaukasus-Republik Tschetschenien zugeordnet wurden, hatten in der Vergangenheit Bombenanschläge auf Züge verübt. Der Staatsanwalt des Bezirks Nord-West, Sergej Bednitschenko, sagte dem Fernsehsender Kanal Eins, es sei ein Ermittlungsverfahren unter Artikel 205, Absatz drei eingeleitet worden - der Terrorismus-Paragraph. FSB-Chef Patruschew warnte, zwar sei die Zahl der Anschläge deutlich geringer worden. Die Gefahr von Terrorattacken sei aber nicht vorbei. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass mögliche terroristische oder extremistische Handlungen die Lage im Land destabilisierten, sagte Patruschew, der auch Leiter des Nationalen Anti-Terror-Komitees ist.

Schärfere Sicherheitsmaßnahmen

Nach dem Zugunglück will Russland seine Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. Nötig sei ein Paket von zusätzlichen Maßnahmen, die sowohl auf Vorbeugung gegen terroristische Akte als auch auf mögliche Notfälle gerichtet seien, sagte der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Nikolai Patruschew, nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen.

Über den Hintergrund der Tat lagen zunächst keine Angaben vor. Der Lokführer berichtete, unmittelbar vor dem Entgleisen des Zuges sei ein Explosionsknall zu hören gewesen. Wegen des Unglücks sollte die Strecke noch bis zum Abend gesperrt bleiben.

Ende der Ruhe?

Feuerwehrmann untersucht ausgebrannte Turnhalle (Quelle: AP)
Das Trauma von Beslan hält an (Archivbild 3.9.2004)Bild: AP

Die Lage in Russland ist seit einiger Zeit weitgehend ruhig. Seit der Geiselnahme in einer Grundschule in Beslan vor drei Jahren wurden kaum mehr größere Anschläge verübt, die tschetschenischen Aufständischen zugeordnet wurden. Auch aus Tschetschenien selbst dringen seltener Berichte über Zwischenfälle nach draußen. Allerdings haben Rebellen in den angrenzenden Republiken ihre Aktivität deutlich verstärkt. Zudem sind die Behörden mit Blick auf die anstehenden Parlaments- und Präsidentenwahlen landesweit in Alarmbereitschaft. Im Dezember wird die Duma gewählt, ein neuer Präsident im Frühjahr 2008. (vem)