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Nächster Schock für Griechenland

5. Juli 2011

Gerade noch schien Griechenland gerettet, da droht neues Ungemach: Die Ratingagentur S&P will das Land weiter herabstufen, weil sie es für zahlungsunfähig hält. In diesem Falle droht den Griechen tatsächlich die Pleite.

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Zeus-Thempel in Athen, Griechenland (Foto: DW)

Die Erleichterung war groß, als die Finanzminister der Euro-Zone zwölf Milliarden Euro an Krediten für Griechenland bereitstellten. Die Griechen können mit dieser Hilfe in den kommenden Wochen ihren Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Außerdem vereinbarten die Minister, dass im Herbst weitere Kredite im Umfang von 120 Milliarden Euro folgen sollen, um das Überleben der griechischen Volkswirtschaft längerfristig zu gewährleisten. Bei diesem großen Rettungspaket sollen auch private Gläubiger an der Sanierung des EU-Mitgliedes beteiligt werden.

Griechenlands Finanzminister Venizelos (Foto: AP/dapd)
Würde bezahlen, wenn man ihn lässt: Griechenlands Finanzminister VenizelosBild: dapd

Die Europäische Zentralbank (EZB) sichert nur Kredite ab, die eine Chance haben, auch bedient zu werden. Bei einem drohenden Zahlungsausfall des Schuldners würde die EZB kein Geld zur Verfügung stellen. Doch gerade das droht jetzt. Nicht, weil die Griechen plötzlich eine schlechtere Zahlungsmoral bewiesen oder noch größere Schulden hätten, als bislang bekannt ist. Der Grund liegt in der Bewertung durch eine Ratingagentur.

Streit um das Kreditereignis

Die amerikanische Agentur Standard & Poor's (S&P) kündigte nun an, sie werde von einem Zahlungsausfall sprechen – und zwar für den Fall, dass private Gläubiger auf ihre Forderungen zunächst verzichten und stattdessen längere Laufzeiten akzeptieren. Das bedeutet: S&P wertet die teilweise deutliche Fristverlängerung (in Einzelfällen wären das Kreditverlängerungen von drei auf 30 Jahre) als Kreditausfall. Griechenland würde dann weiter herabgestuft – auf die niedrigste Stufe. Dann träte ein sogenanntes Kreditereignis ein: Anleger, die CDS (Credit Default Swaps) gekauft haben, um sich gegen einen Kreditausfall zu versichern, würden Forderungen in Milliardenhöhe geltend machen.

Bürogebäude der Ratingagentur Standard & Poor's (Foto: dpa)
Das Bürogebäude von Standard&Poor'sBild: picture-alliance/dpa

Die Drohung von S&P hat vor allem in der europäischen Finanzwelt Empörung hervorgerufen. Europäische Politiker und Finanzmanager, die mit großer Mühe und nach langen Verhandlungen die soeben beschlossenen Pläne zur Rettung Griechenlands vereinbart haben, werden von dieser Entscheidung unter Druck gesetzt. Die EZB kann griechische Staatsanleihen nicht mehr absichern, wenn ein Kreditereignis eingetreten ist. Das wird dann der Fall sein, wenn alle Ratingagenturen (es gibt drei wichtige Agenturen, neben S&P sind das Fitch und Moody's) einen Zahlungsausfall feststellen. Es besteht durchaus die Gefahr, dass sich Fitch und Moody's der Einschätzung von S&P anschließen.

Die Macht der Agenturen

Die Einschätzung von Standard&Poor's, das Engagement privater Gläubiger bei der Griechenlandsanierung käme einem Zahlungsausfall Athens gleich, wird nicht überall geteilt. Der US-Derivateverband widersprach dem Urteil von S&P: Die Umschuldung Griechenlands sei kein Kreditereignis. Bei der Einbeziehung privater Gläubiger handele es sich lediglich um einen Zahlungsaufschub, im Fachjargon Roll-Over. Bei einem Roll-Over werden beispielsweise Anleihen von Staaten nach Ende der Laufzeit in neue Papiere umgetauscht und damit nicht verkauft.

Die International Swaps and Derivates Association (ISAD) ist der Ansicht, dass "durch einen freiwilliges Roll-Over keine Kreditausfallversicherung fällig" wird. Diese Aussage ist möglicherweise durch einen gewissen Eigennutz motiviert: Amerikanische Institute haben Kreditausfallversicherungen für griechische Staatsanleihen in Milliardenhöhe verkauft – diese Versicherungsscheine würden im Falle eines Staatsbankrotts fällig werden.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet (links) und Luxemburgs Finanzminister Jean-Claude Juncker (Foto: AP) Quelle: AP/dapd
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet (l) und Luxemburgs Finanzminister Jean-Claude JunckerBild: AP

Sollte sich das Urteil von Standard&Poor's durchsetzen und Griechenland tatsächlich herabgestuft werden, hätte das weitreichende Folgen. So müssten die für den Herbst in Aussicht gestellten Kredite in Höhe von 120 Milliarden Euro und alle weiteren Vereinbarungen, die die Länder der Euro-Zone zur Griechenlandsanierung bereits getroffen haben, noch einmal verhandelt werden. Griechenland stünde im Spätsommer 2011 tatsächlich vor dem Staatsbankrott.

Autor: Dirk Kaufmann
Redaktion: Rolf Wenkel