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Nächste Runde in der Schlammschlacht

15. September 2004

Ein neues Buch der Klatsch-Autorin Kitty Kelley setzt US-Präsident George W. Bush unter Druck. Sie behauptet er habe früher nicht nur übermäßig getrunken, sondern auch gekokst und seine Frau betrogen.

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Schonungslos, aber auch faktengetreu: Kitty Kelly?

Eines dürften ihr selbst ihre vielen Feinde zugestehen: Kitty Kelley hat keine Furcht, sich mit den Mächtigen anzulegen. Unter wütendem Protest des Weißen Hauses kam am Dienstag (14.09.) in den USA das Bush-Buch der Klatschautorin auf den Markt - eine schonungslose Abrechnung mit dem Präsidenten und dessen Clan. In ihrem 733-seitigen Opus "The Family" behauptet Kelley, dass George W. Bush in seinen Sturm-und-Drang-Jahren gekokst und seine Frau Laura als Studentin mit Marihuana gedealt habe. Und sein Vater soll zahlreiche Affären gehabt haben, unter anderem mit einer Mitarbeiterin.

Nachdem er im Wahlkampf zuletzt von dem Streit um die Vietnam-Vergangenheit des Rivalen John Kerry profitiert hatte, muss Bush nun seinerseits fürchten, tiefer in eine Debatte um seine eigenen frühen Jahre hineingezogen zu werden. Kelley liefert dafür mit ihren Schilderungen früherer Exzesse von Bush junior reichlich Material. Sogar auf dem Landsitz des Präsidenten in Camp David soll er - zur Amtszeit seines Vaters - regelmäßig Kokain konsumiert haben, lautet eine der sensationellsten "Enthüllungen" der 62-jährigen Biographin.

Auf den Müll

Schon seit Tagen bemüht sich das Bush-Team, den Schaden zu begrenzen. Das Buch der "Lügen" gehöre in den Müll, sein Erscheinungsdatum sieben Wochen vor der Wahl sei "politisch motiviert", schimpfte die Präsidentensprecherin Claire Buchan.

Die Angriffe aus dem Bush-Lager haben aber wohl nur dafür gesorgt, die Neugier noch zu steigern: "The Family" schnellte in der Bestseller-Liste des Internet-Kaufhauses Amazon auf Platz eins, und das Verlagshaus Doubleday stockte kurzfristig die Erstauflage um 20 Prozent auf 722.500 Exemplare auf.

Brutales Porträt einer Familie

Kelley nimmt für sich in Anspruch, gründlich recherchiert zu haben. In vierjähriger Arbeit habe sie mit fast tausend Leuten gesprochen und 2800 Akten angelegt. Heraus kam dabei das geradezu brutale Porträt eines Clans, der seine vermeintlichen Prinzipien über die Jahrzehnte immer wieder über Bord warf, wenn es der Ausweitung seiner politischen und wirtschaftlichen Macht diente.

Es entsteht auch das Tableau einer Familie, in der sich der Hang zu Ausschweifungen wie ein roter Faden durch drei Generationen zieht. Prescott Bush, der Senator und Großvater des heutigen Präsidenten, war laut Kelley ein Alkoholiker, der diskret in vornehmen Herrenclubs seinem Laster frönte. George Bush senior, der Vater, soll seine Frau Barbara mehrfach betrogen haben, darunter mit einer jungen Fotografin, und seiner persönlichen Sekretärin an der Botschaft in Peking, die er später zu seinem neuen Job als CIA-Chef mitnahm. Und Bush junior, dessen frühere Alkoholexzesse bekannt sind, soll schon an der Elite-Uni Yale gekokst haben. Der heutige Präsident hatte sich in seiner Wahlkampagne vor vier Jahren vor einer klaren Aussage gedrückt, ob er in seinen wilden Jahren auch Drogen genommen habe.

Und die Belege?

Viele von Kelleys Behauptungen bleiben allerdings unbelegt. So beruft sie sich bei dem Vorwurf, Bush habe in Camp David gekokst, unter anderem auf Sharon Bush, die geschiedene Gattin des Bruders Neil. Die Ex-Schwägerin hat aber inzwischen dementiert. Auch durch ihre früheren Publikationen wird die Glaubwürdigkeit der Autorin nicht unbedingt gestützt. Sie behauptete, Jackie Kennedy habe sich mit Elektroschocks gegen Depressionen behandeln lassen, Nancy Reagan habe eine Affäre mit Frank Sinatra gehabt, und die britische Königin Elizabeth sowie Prinzessin Margaret seien durch künstliche Befruchtung gezeugt worden - ihr Buch über das Königshaus ist in Großbritannien bis heute verboten.

Dennoch muss Bush fürchten, dass das Kelley-Buch seinen Gegnern hilft. Nicht zuletzt könnte es die Debatte um seinen schlappen Dienst in der Nationalgarde neu anheizen, mit dem er dem Einsatz in Vietnam entging. Kelley spekuliert, das Fehlen von offiziellen Dokumenten über Bushs Dienstzeit könne damit zu tun haben, dass er dort wegen Drogenkonsums aufgeflogen sei.

Die Autorin ist übrigens Demokratin. Im Interview mit dem Blatt "USA Today" bestritt sie aber, mit ihrem Buch die Wahl beeinflussen zu wollen: Wer die Bushs möge, werde sich nicht von ihnen abwenden, bloß weil er nun eine "andere Seite" an ihnen zu sehen bekomme. (afp)