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Platz nur noch für jeden Zweiten

Manasi Gopalakrishnan, München (apo)12. September 2015

Tausende Flüchtlinge kommen am Bahnhof in München an - erleichtert, in Sicherheit zu sein. Doch dort weicht die Euphorie der Sorge. Bayern fordert Hilfe von anderen Bundesländern. Aus München Manasi Gopalakrishnan.

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Flüchtlinge am Münchner Hauptbahnhof (Foto: picture alliance/dpa/A. Gebert)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Gebert

Auf den ersten Blick verläuft auf dem Münchner Hauptbahnhof alles in geregelten Bahnen. Doch schon bald offenbaren sich dem Betrachter kleine Gruppen, die sich um ihr Gepäck scharen, oder kleine Kinder, die auf Rucksätzen sitzen. Es sind Asylbewerber, die auf den Transport zum Erstaufnahmelager warten.

Obaida spielt mit seiner Nichte in der Nähe eines Fruchtsaft-Ladens, während seine Mutter sich an die wenigen Gepäckstücke lehnt, die sie aus Syrien mitnehmen konnten. Wie viele andere Flüchtlinge, die auf dem Landweg von Syrien nach Deutschland gekommen sind, hat er bereits seine erste medizinische Untersuchung hinter sich und soll bald nach Schweden weiterreisen.

Andere Flüchtlinge wie Saad, der ebenfalls aus Syrien kommt, hat es bereits geschafft, ein Zugticket für sich und seine Familie nach Hamburg zu organisieren. Er ist zuversichtlich, dass er morgen München verlassen kann. Bis dahin werden er und seine Familie die Zeit in der Bahnhofshalle verbringen müssen, wenn nicht Sozialarbeiter noch etwas Passendes für die Nacht finden.

Platznot in Bayern

In München werden die ankommenden Flüchtlinge zunächst in einen abgeriegelten Bereich am Hauptbahnhof geführt. Dort werden sie medizinisch untersucht, bekommen Fahrkarten zur Weiterreise innerhalb Deutschlands ausgehändigt, oder sie werden in Busse gesetzt, die sie zu Erstaufnahmelagern in der Umgebung Münchens bringen.

Die Stadtverwaltung hat Notunterkünfte in den Münchner Messehallen geschaffen. Außerdem haben Bundeswehrsoldaten Notbetten für tausende Flüchtlinge aufgestellt. Aber die Aussichten, eine Unterkunft zu finden, verschlechtern sich.

"München hat die Grenze seiner Aufnahmekapazitäten erreicht", erklärt der sozialdemokratische Oberbürgermeister Dieter Reiter, als er der Presse erläutert, welche Anstrengungen die Stadt unternimmt, um den enormen Andrang von Menschen zu bewältigen.

"Bis 10.30 Uhr heute Morgen sind 3600 Flüchtlinge eingetroffen. Das ist die größte Zahl an Flüchtlingen, die wir bis zu diesem Zeitpunkt an einem Tag hatten", sagt Christoph Hillenbrand, Regierungspräsident von Oberbayern. Die Bezirksregierung erwartet an diesem Samstag bis zu 10.000 Asylbewerber. Platz gibt es nur für die Hälfte.

"Ich weiß nicht, wie wir Übernachtungsmöglichkeiten für die anderen 5000 Flüchtlinge organisieren sollen", räumte Regierungspräsident Hillenbrand gegenüber der Presse ein. "Es gibt heute keine Tickets für Busse, Züge oder freie Plätze für eine Übernachtung". Die einzige Hoffnung, so Hillenbrand, seien benachbarte Bundesländer, die dem bayerischen Beispiel folgten und Verantwortung für die Asylbewerber übernehmen würden.

Eingang zur Messe in München (Foto: DW/Ben Knight)
In den Münchner Messehallen sind Notunterkünfte für Flüchtlinge eingerichtet wordenBild: DW/Ben Knight

Helfen, aber wie?

Die Belastung macht sich langsam bemerkbar. Die Mehrheit der Bewohner der bayerischen Hauptstadt ist sich zwar nach wie vor einig, dass Menschen in Not geholfen werden muss. Doch die anfängliche Euphorie der vergangenen Woche ist mittlerweile einem Gefühl der Angst gewichen.

"Ich bin geschockt, denn es kommen so viele Flüchtlinge", sagt eine Frau Mitte fünfzig, die seit der vergangenen Woche ehrenamtlich arbeitet. Sie fügt hinzu: "Aber wir müssen helfen". Eine Eisverkäuferin in der Nähe ist sich da nicht mehr so sicher. "Wir müssen Menschen in Not helfen, aber können die jetzt nicht woanders hingehen?", fragt sie.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter erklärt, dass München versuche, ein nationales Problem zu lösen. Dies sei allerdings ohne die Hilfe der anderen Bundesländer nicht möglich. So sieht es auch sein Kollege Hillenbrand.

"In der ersten Woche war es aus humanitären und ethischen Gründen logisch, dass wir Flüchtlinge aufgenommen haben", erklärt er. "Doch mittlerweile hat die Krise ein Ausmaß erreicht, das von der Stadtverwaltung nicht mehr bewältigt werden kann."