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Mücken-Mythen entlarvt

20. August 2021

Am Welt-Moskito-Tag wollen wir wissen, was wirklich vor Mücken schützt, wofür die kleinen Insekten gut sind - und was es mit dem "süßen Blut" auf sich hat.

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Anopheles Moskito auf einem menschlichen Körper
Sommerzeit, Mückenzeit - sehr zum Leidwesen unserer Autorin.Bild: Soumyabrata Roy/NurPhoto/picture alliance

Es könnte so schön sein jetzt im Sommer. Endlich mal wieder Freunde sehen. Vielleicht ein Grillabend im Garten, Cocktails auf der Terrasse der Lieblingsbar oder ein Nachmittag am Badesee. Wenn es da nicht diese sirrenden Quälgeister gäbe.

Wer jetzt nicht weiß, wo das Problem liegt, kann sich glücklich schätzen. Es soll sie ja geben, diese Menschen, die mit ein, zwei Mückenstichen durch die warme Jahreszeit kommen. Ich gehöre definitiv nicht dazu. Die zwei vergangenen Sommer in Washington, DC, waren besonders schlimm: Einmal trug ich von einem kurzen Spaziergang mehr als 30 Mückenstiche auf den Beinen davon. Immerhin übertragen die Insekten in den gemäßigten Breiten normalerweise keine gefährlichen Krankheiten, aber angenehm war das Erlebnis trotzdem nicht. 

Gibt es also tatsächlich Menschen mit "süßem Blut," das sie für Mücken besonders attraktiv macht? Schützt Kaffeepulver tatsächlich vor den Insekten? Hilft es, Zahnpasta auf schmerzhafte Stiche zu schmieren? Und warum ist es falsch, darüber zu fantasieren, die kleinen Biester ein für alle Mal auszurotten? (An all die Tierrechtler und Umweltschützer: Entschuldigung! Aber wenn man nachts alle zwei Stunden aufstehen muss, um sich Eiswasser über die Beine zu gießen, kann man schon mal auf mordlüsterne Gedanken kommen).  

Dr. Helge Kampen, Laborleiter im Institut für Infektionsmedizin am Friedrich-Löffler-Institut, ist Biologe und spezialisiert auf medizinische Parasitologie und Entomologie. Das bedeutet, in seinen eigenen Worten, dass er sich mit "blutsaugenden Gliedertieren, also Insekten und Zecken" beschäftigt. Genau die richtige Expertise, um beim Entlarven der hartnäckigsten Mücken-Mythen zu helfen.

Helge Kampen an einem Mikroskop bei der Mückenforschung
Kampen forscht im Friedrich-Löffler-Institut auf der Insel Riems an blutsaugenden InsektenBild: Stefan Sauer/dpa/picture alliance

"Mach das Licht aus!"

Das weiß jeder: Wenn im Sommer das Fenster offen ist, darf in der Wohnung keine Lampe an sein, sonst kommen die Mücken - oder? "Das hat mir meine Mutter auch als Kind erzählt, man soll die Fenster zumachen, wenn man das Licht anhat, sonst kommen die Mücken rein", sagt Kampen. Aber das stimmt nicht.

Man bekommt vielleicht viele andere Insekten ins Zimmer, wenn man nach dem Sonnenuntergang in der hellen Wohnung das Fenster aufmacht, wie zum Beispiel Motten. Aber Mücken werden nicht von Licht angezogen, sondern von verbrauchter Atemluft und unseren Körperausdünstungen. 

Die sind von Person zu Person verschieden, und damit wären wir beim nächsten Punkt.

Warum mögen Mücken manche Menschen mehr?

"Das mit dem süßen Blut stimmt so nicht", sagt Kampen. Ob jemand viel nascht oder wenig, hat keinen Einfluss darauf, wie sehr die Mücken ihn oder sie lieben. Dass ich meinen Schokoladen-Konsum nicht reduzieren muss, freut mich zu hören. Aber woran liegt es dann, dass ich sieben neue Stiche nach einem Mittagessen draußen habe, und meine Begleitung keinen?

"Menschen unterscheiden sich in ihren Körperausdünstungen und sind damit für unterschiedliche Mückenarten unterschiedlich attraktiv", erklärt Kampen. Welche Mückenart die vorherrschende ist, kommt auf die Region an. Wer also in eine andere Stadt zieht, oder in einem anderen Land Urlaub macht, kann mehr oder weniger Probleme bekommen, sich die kleinen Insekten vom Leib zu halten. 

Ein Faktor spielt aber bei der Ernährung schon eine Rolle: "Alkohol lockt Mücken an", sagt der Biologe. "Nach Alkoholkonsum ändern sich die Ausdünstungen, die über die Haut abgehen, und die werden für die Mücken attraktiver, wenn Alkohol getrunken wurde."

Raucher dagegen "werden weniger angeflogen." Als Nichtraucherin, die hin und wieder gern mit Freunden trinkt, finde ich das ungerecht. Aber was ist schon gerecht im Leben? Case in point: "Frauen in bestimmten Menstruationsphasen sind ebenfalls attraktiver für Mücken", sagt Kampen. Na prima. 

Mückenspray, Kaffeepulver und Co. - was schützt wirklich?

Kampen empfiehlt unter den Anti-Mückenmitteln, mit denen man sich einsprühen kann, solche mit dem Wirkstoff Icaridin. "Die sind am wirksamsten." Icaridin ist ein sogenanntes Repellent mit einem breiten Wirkungsspektrum und wird von der Weltgesundheitsorganisation zur Malaria-Vorbeugung empfohlen. Neben den Sprays hilft es besonders gut, den Mücken keine Angriffsfläche zu bieten: Lange Ärmel, lange Hosenbeine. Das macht im Sommer natürlich wenig Spaß.

Ein weiterer Tipp: "Keine Brutgewässer zur Verfügung stellen." Wer einen Garten hat, so Kampen, solle dafür sorgen, Wasserbehälter wie Regentonnen, Eimer und ähnliches abzudecken, oder alle sieben bis 10 Tage zu leeren. Alle Stechmücken legen ihre Larven in Wasser ab, und diese Larven brauchen bei Temperaturen um die 20 Grad rund zwei Wochen, um sich vollständig zu entwickeln. 

Zu anderen natürlichen Schutzmethoden kann der Experte nicht viel sagen. Kaffeepulver verbrennen soll Mücken fernhalten, Knoblauch essen auch (also wie bei Vampiren). Gehört hat Kampen das schon, belegt ist es nicht. "Da gibt es wenige standardisierte Versuche." 

Mücken auf einer Wasseroberfläche
Mücken mögen's nass. Flache, offene Gewässer im eigenen Garten sollten deswegen abgedeckt werden.Bild: Mortuza Rashed/DW

Schnaps auf den Stich

Und wenn man bereits gestochen wurde? Warum tut das so verdammt weh? "Die Reaktion entsteht, weil die Mücke beim Blutsaugen Speichel in die Wunde injiziert, damit sie Blut aufnehmen kann", erklärt Kampen. "In dem Speichel sind eine ganze Menge bioaktiver Moleküle, ein ganzer Cocktail. Und jeder reagiert anders darauf."

Glückwunsch an all diejenigen, bei denen Mückenstiche nicht handtellergroß anschwellen und Schlaf undenkbar machen. Was jedoch immer gleich ist: "Vom Körper wird Histamin ausgeschüttet und das verursacht den Juckreiz."

Deswegen helfen beispielsweise Antihistaminika-Salben gegen den Schmerz. Aber auch Spucke oder Zahnpasta können Linderung verschaffen. Was allen drei gemeinsam ist: Sie kühlen. Und Kühlen ist gut. Auch kalten Schnaps auftragen hilft, sagt Kampen - der desinfiziere gleichzeitig noch.

Aber nicht trinken, sonst macht man sich nur wieder attraktiver für Mücken und riskiert mehr Stiche! Und: "Tapfer sein und möglichst zwei Tage nicht kratzen", mahnt der Experte, "sonst kann es schnell zu Sekundärinfektionen kommen durch Bakterien."

Mueckenstiche
Auch wenn's schwerfällt: Hände weg von den Stichen, sonst wird es nur schlimmer.Bild: picture-alliance/dpa Themendienst/K. Kraemer

"Die Natur ist ungesteuert"

"Ich werde oft gefragt, auch von Journalisten, 'Wofür sind Mücken eigentlich gut?'" sagt Kampen. "Meine Gegenfrage ist 'Wofür sind Sie eigentlich gut?'" Eine berechtigte Frage. "Das ist eben die Natur, und die Natur ist ungesteuert. Es gibt keinen Sinn und Zweck von Lebewesen."

Der Biologe weist dann doch noch darauf hin, dass Mücken eine bestimmte Funktion im Ökosystem haben: Sie spielen eine große Rolle im Nahrungsnetz. Die Larven dienen Fischen, Amphibien und Wasserinsekten als Nahrung, die erwachsenen Tiere stehen auf der Speisekarte von Vögeln, Fledermäusen und Insekten. Ohne Mücken stünden sie alle vor einem riesigen Problem.

Na gut. Dann müssen Menschen mit besonders attraktivem Geruch eben auch mal 30 Stiche aushalten können.

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker