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Mutmaßliche türkische Spione vor Gericht

9. September 2015

Die drei Angeklagten sollen Agenten eines türkischen Geheimdiensts sein und in Deutschland Kritiker von Präsident Erdogan ausspioniert haben. Einer der Männer hat vermutlich enge Beziehungen zum türkischen Staatschef.

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Prozessauftakt in Koblenz (Foto: dpa/picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/T. Frey

Vor dem Oberlandesgericht Koblenz begann jetzt das Gerichtsverfahren gegen die drei Männer. Das Trio soll seit spätestens Februar 2013 Informationen über Kritiker des damaligen türkischen Ministerpräsidenten und heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan an den türkischen Geheimdienst MIT weitergereicht haben.

Außerdem haben die mutmaßlichen Spione nach Ermittlungserkenntnissen über Kundgebungen kurdischer Aktivisten berichtet; auch diese Informationen gingen demnach an den Geheimdienst MIT. Nach einem Bericht des SWR sollen auch Mitglieder religiöser Minderheiten wie Jesiden und Alewiten sowie Anhänger des islamischen Predigers Fethullah Gülen beobachtet worden sein. Gülen gilt als Erzfeind Erdogans.

Der Generalbundesanwalt halte die Agenten für überführt und habe in der 55-seitigen Anklageschrift die Argumente dafür zusammengetragen, berichtet der SWR aus dem ihm vollständig vorliegenden Schriftsatz.

Hauptangeklagter mit engen Beziehungen zu Erdogan?

Bundesanwalt Bernd Steudl warf vor dem Koblenzer Gericht dem Hauptangeklagten "reisenden Führungsoffizier" Muhammed Taha G. aus Istanbul vor, Kopf eines "verzweigten Netzes informeller Mitarbeiter" gewesen zu sein. Der mitangeklagte Deutsch-Türke Göksel G. und der ebenfalls beschuldigte türkische Staatsbürger Ahmet Duran Y. hätten ihm Informationen zugeliefert. Dabei nahmen die mutmaßlichen Zuträger laut Bundesanwalt Steudl billigend Nachteile für die "angeschwärzten Personen" in Kauf. Ihr Führungsoffizier habe die ihm zugelieferten Informationen dann über Hintermänner im türkischen Sicherheitsapparat weitergereicht.

Ungeklärt ist laut Steudl, ob der Hauptangeklagte formal oder nur inoffiziell dem türkischen Nachrichtendienst MIT angehört. Er sitzt als einziger der drei Angeklagten weiterhin in deutscher Untersuchungshaft.

Der Hauptangeklagte ließ über seinen Anwalt die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückweisen. Die Rechtsanwälte der zwei Mitangeklagten äußerten sich nicht zu den Vorwürfen.

Politisch brisant ist das Koblenzer Verfahren wegen Berichten, dass der 59-jährige Muhammed Taha G. ein ehemaliger Berater Erdogans sei. Laut türkischen Medien soll er in der Vergangenheit unter anderem für das türkische Ministerpräsidentenamt und eine staatliche Bank gearbeitet haben.

Auf die Spur gekommen waren die Ermittler den Dreien laut einer Anwältin im Zuge eines Falschgeld-Verfahrens. Der Spionageprozess ist auf 25 Verhandlungstage bis kurz vor Weihnachten angesetzt und könnte Auswirkungen auf die deutsch-türkischen Beziehungen bekommen.

qu/SC (dpa, afp, ARD)