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Wulff Pro

4. Januar 2012

Bundespräsident Christian Wulff will in einem Fernseh-Interview zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung beziehen. Soll er im Amt verbleiben? Nein, meint Volker Wagener.

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Symbolbild Kommentar

Die Vorwürfe, die auf Christian Wulff lasten, sind – seien wir großzügig – bedingt verzeihlich, da menschlich. Aber es sind Vorwürfe an die Adresse des Bundespräsidenten. Man kann, wenn man die Möglichkeit hat, einen Kredit annehmen, der aus der Portokasse eines Industriellen fließt und man kann sich auch mal von mächtigen Wirtschaftskapitänen kostenfrei in den Urlaub einladen lassen. Doch zu wissen, dass die Nummer eins im Staate, der Bundespräsident, solche Vergünstigungen angenommen hat, ramponiert genau den Teil seines Amtes, welches es gerade ausmacht: die Glaubwürdigkeit. Ergo dieses Mehr an vorausgesetzter Charakterfestigkeit, die erwartete souveräne Unempfänglichkeit gegenüber den Verlockungen des Anbiederns, gegenüber den zahlreichen und geschmeidigen Versuchen der Einflussnahme.

Wulff hat seine Vorbildfunktion verloren

Volker Wagener (Foto: dw)
Volker WagenerBild: DW

Der deutsche Bundespräsident hat politisch wenig bis nichts zu sagen, doch gefragt ist er als Notar der Gesellschaft (Gesetzesabzeichnungen), als väterlicher Ermahner in gesellschaftlichen Konfliktsituationen, als Beichtvater der Nation (Petitionseingaben). Man kann sich Wulff in diesen Rollen nicht mehr vorstellen. Wer als Landesministerpräsident Gratisurlaub in Luxusvillen der Reichen genossen und einen Hauskredit weit über den Betrag hinaus, den das Zuhause der Familie Wulff überhaupt wert ist, von den Mächtigen der Republik in Empfang genommen hat, der hat seine Vorbildfunktion verloren. Was sollen die Jungen und Mädchen, die am 6. Januar als Sternsinger auf Schloss Bellevue kommen von diesem Präsidenten halten? Sie sammeln für die Bedürftigen der Welt und er war nachweislich in eigener Sache unterwegs.

Handwerkliche Fehler kann man immer reparieren, ein Image weniger. Der Bundespräsident muss deshalb gehen, auch wenn sein angekündigtes Fernsehinterview heute (04.01.2012) auf sein Bleiben schließen lässt.

Schlimmer noch als die Faktenlage ist Wulffs Umgang mit dem Bekannten. Ein Bundespräsident bedroht nicht eine Zeitung per Telefon – schon gar nicht via Mailbox. Er droht den Medien überhaupt nicht! Wulff hat offensichtlich auch nicht die Kontrolle über sein Nervenkostüm. Schlechtes Krisenmanagement, nennt man das. Artikel 5 des Grundgesetzes schützt in Deutschland die Pressefreiheit. Wenn schon die Nummer eins im Staate das nicht praktiziert, darf man von allen anderen nicht viel erwarten. Wulff muss gehen - je schneller, desto besser.

Autor: Volker Wagener
Redaktion: Henrik Böhme