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Muss Deutschland Puigdemont ausliefern?

26. März 2018

Der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont ist in Deutschland aufgrund eines europäischen Haftbefehls festgenommen worden. Was bedeutet dieser Haftbfehl und wie geht es jetzt weiter?

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Die Justizvollzugsanstalt in Neumünster nach der Verhaftung von Puigdemont (Foto: Reuters)
Die Justizvollzugsanstalt in Neumünster: Hier wurde Puigdemont hingebrachtBild: Reuters/F. Bimmer

Was wird Puigdemont vorgeworfen?

Carles Puigdemont hatte im vergangenen Oktober die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien ausgerufen und damit gegen die Verfassung verstoßen. Anschließend leitete die Justiz Ermittlungen wegen Rebellion gegen Puigdemont und andere führende Separatisten ein. Puigdemont floh daraufhin nach Belgien ins Exil. Einen zunächst ausgestellten europäischen Haftbefehl zog die spanische Justiz im Dezember wieder zurück. Am Freitag wurde dann ein neuer Haftbefehl erlassen, der nun vollstreckt wurde. Darin wird ihm laut spanischen Medien Rebellion, Aufwiegelung und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen.

Was ist der europäische Haftbefehl?

Der europäische Haftbefehl beschleunigt und vereinfacht die Auslieferung eines Verdächtigen zwischen zwei Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Dabei arbeiten die jeweiligen Justizbehörden direkt zusammen. Für eine Auslieferung muss der Puigdemont vorgeworfene Straftatbestand grundsätzlich auch in dem Land existieren, in dem er festgenommen wurde. "Rebellion gibt es im Strafgesetzbuch in Spanien, aber nicht in Deutschland", erklärt der ZDF-Rechtsexperte Joachim Pohl, aber: "In Deutschland gibt es den 'Hochverrat‘. Das ist ein Delikt, wo jemand mit Gewalt versucht, einen Umsturz herbeizuführen. Puigdemont hat aber keine Gewalt angewendet." Wie damit nun verfahren wird, muss die Justiz klären. Allerdings gibt es laut Pohl einen "Notnagel": die Veruntreuung von Staatsgeldern, weshalb Puigdemont auch angeklagt ist. "Das gäbe es hier als Untreue auch. Das könnte ein Auslieferungsgrund sein."

Die Anklage gegen Puigdemont fällt nicht unter die 32 schweren Straftaten, bei denen aufgrund des europäischen Haftbefehls sofort ausgeliefert werden müsste. Bei Delikten wie der Beteiligung an einer kriminellen Organisation, Terrorismus, Menschenhandel oder Betrug ist es nicht mehr erforderlich, dass eine Tat in beiden Ländern als Straftatbestand eingestuft ist. Es reicht aus, dass die Tat im Land des Haftbefehls mit einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren bestraft werden kann.

Wie schnell muss gehandelt werden?

Es gelten strenge Fristen: Das Land, in dem die gesuchte Person festgenommen wird, muss die Person innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme an das Land übergeben, in dem der Haftbefehl ausgestellt wurde. Würde Puigdemont der Übergabe zustimmen, so müsste sogar innerhalb von zehn Tagen darüber entschieden werden.

Im Gegensatz zum traditionellen Auslieferungsverfahren entfällt der diplomatische Weg über die Politik. So betonte Justizministerin Katarina Barley denn auch in der ARD, sie wolle von politischer Seite nicht eingreifen: "Im Falle eines europäischen Haftbefehls gibt es ein ganz klar geregeltes rechtsstaatliches Verfahren", sagte sie. "Und das wird jetzt eingeleitet, und am Ende wird dann das Ergebnis stehen. Aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich jetzt von politischer Seite nicht in dieses rechtliche Verfahren eingreifen möchte, auch nicht durch voreilige Äußerungen."

Die Mitgliedsstaaten können den europäischen Haftbefehl seit dem 1. Januar 2004 einsetzen. Bei diesem Verfahren erkennen die EU-Mitgliedsstaaten die gegenseitigen gerichtlichen Entscheidungen an.

Wie geht es jetzt vorerst weiter im Fall Puigdemont?

Nachdem die Polizei den früheren katalanischen Regionalpräsidenten festgenommen hat, soll er heute einem Amtsrichter vorgeführt werden. "Das ist nur eine förmliche Sache", erklärte der Kölner Strafrechtsexperte Nikolaos Gazeas im Deutschlandfunk. Dort werde seine Identität festgestellt und entschieden, ob er zum Beispiel wegen Fluchtgefahr weiter in Haft bleiben müsse.

Ehemaliger katalanischer Präsident Carles Puigdemont im Interview mit Reuters in Brüssel (Reuters)
Der frühere katalanische Präsident Puigdemont bei einem Interview in BrüsselBild: Reuters/E. Vidal

Über die Frage, ob Puigdemont in Auslieferungshaft genommen wird, entscheidet das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig zu einem späteren Zeitpunkt. Dieses prüft anhand von Unterlagen aus Spanien gegebenenfalls auch, ob eine Übergabe an die spanischen Behörden rechtlich zulässig ist. Sollten rechtliche Hindernisse einer Auslieferung nicht im Wege stehen, liegt die letzte Entscheidung wiederum bei der Generalstaatsanwaltschaft.

Laut Strafrechtler Gazeas werden die deutschen Behörden die Vorfälle in Katalonien durch die Brille des deutschen Rechts betrachten. "Soweit der Sachverhalt auch bei uns strafbar wäre, würden sie eine Auslieferung für zulässig erklären", so Gazeas. Soweit das nicht der Fall sei, etwa mit Hinblick auf den Vorwurf der Rebellion, könnten die Behörden die Auslieferung für unzulässig erklären. "Damit kann man der spanischen Justiz auch Fesseln anlegen, Herrn Puigdemont nur wegen bestimmter Straftaten zu verfolgen", so Gazeas. Es könnte also sein, dass eine Auslieferung bewilligt würde, aber mit der Maßgabe, dass Puigdemont in Spanien nur wegen Veruntreuung und nicht wegen Rebellion angeklagt werde.

Wird Deutschland Puigdemont ausliefern müssen?

Laut Rechtsexperten müsste das passieren, aber eben nicht wegen aller Straftatbestände. Generell gilt aber, dass ein Land die Übergabe der gesuchten Person nur dann ablehnen kann, wenn es dafür triftige Gründe gibt.

Barcelona Deutsches Konsulat Protest Puigdemont Verhaftung
In Barcelona demonstrieren Menschen vor dem deutschen Generalkonsulat für die Befreiung PuigdemontsBild: Getty Images/AFP/J. Lago

Das kann zum Beispiel sein, wenn die Person wegen derselben Straftat bereits verurteilt wurde, wenn die Person im Festnahmeland noch minderjährig ist oder wenn die Straftat im Festnahmeland unter eine Amnestie fällt. Auch wenn die Straftat nicht zu den 32 schweren Taten gehört oder wenn im vollstreckenden Land ein laufendes Strafverfahren vorliegt, kann die Auslieferung abgelehnt werden.

Was passiert, wenn Puigdemont Asyl beantragt?

Es gab zunächst Berichte, dass Puigdemont erwäge, einen Asylantrag in Deutschland zu stellen. Das meldeten die "Kieler Nachrichten" unter Berufung auf Justizkreise. "Sollte er dies tun, wird der Asylantrag wie jeder andere vom Bundesamt für Migration geprüft werden", sagte der Sprecher des schleswig-holsteinischen Innenministeriums der Zeitung. Allerdings stünden die Chancen nicht gut: "Strafverfolgung beziehungsweise die Vollstreckung eines europäischen Haftbefehls hat Vorrang vor einem Asylverfahren." Letztlich obliege die Entscheidung aber der Generalstaatsanwaltschaft und dem Bundesamt.Offenbar hat Puigdemont aber doch keine Pläne, politisches Asyl in Deutschland zu beantragen. Das sagte sein Anwalt im katalanischen Rundfunk.