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Muslime: Ernsthaft mit "Pegida" umgehen

20. Dezember 2014

Furcht vor sozialem Abstieg - das ist nach Lesart der Muslime in Deutschland oft auch ein Antrieb für "Pegida"-Demonstranten. Entsprechend ruft ihr Zentralrat zu einem ernsthaften Umgang mit der Protestbewegung auf.

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"Pegida"-Demonstration am 15. 12.2014 in Dresden (Foto: Reuters/H. Hanschke)
Bild: Reuters/H. Hanschke

In der Debatte um die islamfeindliche Bewegung Pegida ruft der Zentralrat der Muslime zu einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dahinter stehenden Sorgen auf. "Pegida"-Anhänger hätten beispielsweise Angst um ihren Job - "damit müssen wir uns auseinandersetzen", sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek im Rundfunk Berlin Brandenburg (RBB).

"Angst, die Rente nicht zu bekommen"

"Pegida" steht für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". In den vergangenen Wochen nahmen in Dresden regelmäßig tausende Menschen an Kundgebungen der Bewegung teil und forderten unter anderem ein strengeres Asylrecht. Auch in anderen deutschen Städten gab es Proteste.

Mazyek folgerte aus den Ereignissen, die Politik müsse sich mehr um die sozialen Sorgen der Menschen kümmern. "Pegida"-Anhänger hätten beispielsweise Angst vor einer weiter aufklaffenden Schere zwischen Arm und Reich, Angst vor Arbeitsplatzverlust und "Angst, dass sie ihre Rente nicht bekommen". Einige Rädelsführer, darunter auch Rechtsradikale, versuchten, "diese Themen zu islamisieren". Der Begriff der Islamisierung werde dabei als Deckmantel benutzt.

Der Generalsekretär des Zentralrat der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek (Foto: picture-alliance/dpa/Kumm)
Aiman MazyekBild: picture-alliance/dpa/Kumm

Auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer warb für eine Auseinandersetzung mit den Sorgen der "Pegida"-Unterstützer. Es müsse die Frage gestellt werden: "Was bewegt diese Leute?", sagte der CSU-Vorsitzende der "Passauer Neuen Presse". "Und man muss sich um das, was diese Menschen an Ängsten im Herzen tragen, kümmern. Nicht durch dumpfe Parolen, sondern durch entsprechende Politik." Dazu zählten eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf die europäischen Länder, ein besserer Schutz der EU-Außengrenzen und eine schnellere Bearbeitung von Asylanträgen.

"Viel verängstigtes Bürgertum"

Seehofer widersprach der Auffassung, alle Teilnehmer von "Pegida"-Kundgebungen seien rechtsextrem. Zwar könnten die Anführer dem rechtsradikalen Spektrum zugeordnet werden. "Wenn aber ein paar tausend Leute auf die Straße gehen, dann kann man diese nicht in Gänze zu Nazis erklären." Ähnlich argumentierte auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig. Der Sozialdemokrat erklärte: "Wenn in Dresden 15.000 Menschen auf die Straße gehen, wäre es abwegig, so zu tun, als seien das alles Faschisten. Da ist auch viel verängstigtes Bürgertum dabei."

Deutlich kritischere Töne kamen vom Zentralrat der Juden. Die Demonstranten dürften keinesfalls unterschätzt werden, sagte der Zentralratsvorsitzende Josef Schuster der Tageszeitung "Die Welt". "Die Bewegung ist brandgefährlich. Hier mischen sich Neonazis, Parteien vom ganz rechten Rand und Bürger, die meinen, ihren Rassismus und Ausländerhass endlich frei ausleben zu dürfen."

Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster (Foto: picture-alliance/dpa/D. Karmann)
Josef SchusterBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

"Für Islam-Integration komplett kontraproduktiv"

Schuster nahm zudem die Muslime in Deutschland in Schutz. Die Angst vor islamistischem Terror werde instrumentalisiert, um eine ganze Religion zu verunglimpfen. Das sei absolut inakzeptabel. Zwar müsse der islamistische Extremismus ebenso ernst genommen werden wie andere extremistische Strömungen. Die Sicherheitsbehörden seien aber längst alarmiert.

Der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, kritisierte "Pegida" ebenfalls deutlich. Die Bewegung sei "komplett kontraproduktiv" für das Ziel, den Islam in Deutschland besser zu integrieren, sagte Huber im Deutschlandradio Kultur. Er wünsche sich, dass bei der Diskussion über den Islam differenziert werde und nicht "eine ganze, große Menschengruppe" aus dem demokratischen Konsens und dem Konsens zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen ausgegrenzt werde. An solch einer Ausgrenzung sollten Christen sich keinesfalls beteiligen.

sti/wl (afp, dpa, kna, epd)