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Museum für afroamerikanische Kultur eröffnet

Marina Strauß24. September 2016

Nach jahrzehntelangen Kämpfen hat US-Präsident Barack Obama das Afroamerikanische Museum in Washington D.C. eröffnet. Ein Triumph für die Community - und ein Einblick in die dunkelsten Kapitel der US-Geschichte.

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Washington NMAAHC Museum Außenansicht Foto: DW/Marina Strauß
Bild: DW/M. Strauß

Sie hat ihr ganzes Leben lang gekämpft. Dorie Ladner wurde verhaftet, weil sie sich gegen die Rassentrennung stemmte, Bürgerrechte und Respekt für Afroamerikaner einforderte. Beim legendären Marsch auf Washington 1963 demonstrierte sie mit Tausenden für gleiche Rechte und Freiheit. Dass nun ein afroamerikanisches Museum - noch dazu in der US-Hauptstadt - seine Tore öffnet, bedeutet für Ladner mehr als nur eine Würdigung ihrer Mühen. "Ich könnte jubeln, ich bin glücklich und beschwingt. Mein Kampf für Bürgerrechte spiegelt sich in diesem Museum wider", sagt die inzwischen 74-Jährige.

Ihre Wohnung in Washington D.C. gleicht selbst einem Civil-Rights-Museum in Miniaturform. Jimi Hendrix lacht von der Wand, Fotos zeigen Ladner als junge Frau inmitten anderer Aktivisten, im Regal stapeln sich Bücher über Freiheitskämpfer.

Bürgerrechtsaktivistin Dorie Ladner Foto: DW/Marina Strauß
Bürgerrechtsaktivistin Dorie LadnerBild: DW/M. Strauß

Ein Gegenstand hat erst kürzlich das Sammelsurium verlassen: Ihr Sweatshirt vom Million-Man-March 1995, das die Bürgerrechtsaktivistin dem Museum spendete. Ladner war damals eine der wenigen Frauen, die sich zusammen mit Hunderttausenden schwarzen Männern im Herzen von Washington versammelten, um Einigkeit zu demonstrieren.

Ladners Sweatshirt ist nun eines der fast 40.000 Ausstellungsstücke, die im neuen Museum von Unterdrückung, Widerstand und Alltag berichten. Direktor Lonnie Bunch betont, dass das Museum nicht nur die afroamerikanische Geschichte erzählt. "Für uns erzählt es gleichzeitig von der Reise eines Volkes und von der Geschichte einer Nation."

Licht und Schatten unter einem Dach

Bunch war mehr als zehn Jahre ein Museumsleiter ohne Museum. Zusammen mit seinen Kuratoren reiste er kreuz und quer durch die USA, immer auf der Suche nach verstecken Schätzen, die von den unterschiedlichen Aspekten afroamerikanischen Lebens zeugen. Und sie waren erfolgreich: Das Museum zeigt tatsächlich alle Schattierungen der Geschichte auf - angefangen von der Sklaverei über Rassentrennung bis hin zu schwarzer Popkultur.

Nat Turners Bibel Foto: DW/Marina Strauß
Nat Turners BibelBild: DW/M. Strauß

Eines der bedeutendsten Stücke ist ein kleines zerfleddertes Buch, die Bibel von Nat Turner, einem Sklaven, der 1831 im US-Bundesstaat Virginia einen der blutigsten Sklavenaufstände anzettelte. Turner war sehr gläubig und konnte lesen - damals für einen Sklaven eher unüblich. Eine Wahrheit, die er aus der Bibel zog, war die Tatsache, dass alle Menschen es verdienen, in Freiheit zu leben.

Unter den fast sechzig Opfern von Turners Rebellion waren auch einige Vorfahren von Mark Person. Nachdem die Bibel vor mehr als hundert Jahren über Umwege in den Besitz seiner Familie gelangte, findet Person nun, dass sie im Museum ein neues passendes Zuhause gefunden hat. "Ich glaube, Nat Turner hätte gewollt, dass sie dort landet. Ich empfinde keinerlei Groll ihm gegenüber. Das ist alles in einer anderen Zeit passiert. Und die Sklaven haben sich damals aus einem guten Grund aufgelehnt."

African American Museum Eröffnung Washington
Obama (v.l.) mit seiner Frau Michelle, Ex-Präsident George W. Bush und dessen Frau Laura bei der EröffnungBild: picture-alliance/dpa/J.Scalzo

Das Museum stellt also Beweise von Kämpfen aus, die Afroamerikaner ausfechten mussten, um nicht wie Tiere, sondern wie Menschen behandelt zu werden, um Schritt für Schritt die gleichen Rechte zu bekommen wie ihre Mitbürger mit heller Hautfarbe. Doch bis es so weit war, bis zur Eröffnung eines afroamerikanischen Museums in der US-Hauptstadt, musste die schwarze Community Jahrzehnte lang kämpfen. Die Verantwortlichen rangen um die Finanzierung des rund 480-Millionen-Euro teuren Projektes, um politische Unterstützung und auch um einen passenden Standort.

Dass das Museum jetzt auf der berühmten National Mall im Stadtzentrum, direkt neben dem Washington Monument steht, ist ein symbolischer Sieg. Zuerst war nämlich angedacht, das National Museum of African American History and Culture, so der volle Name, am Rande Washingtons zu bauen.

Krönung der National Mall

Farblich sticht das neueste Mitglied der Smithsonian-Familie hervor. Die anderen von der bedeutenden US-amerikanischen Bildungs- und Forschungseinrichtung betriebenen Museen kleiden sich fast alle in hellen Marmor. Der von dem in Tansania geborenen Briten David Adjaye gestaltete Bau ist vom Design westafrikanischer Textilien inspiriert und ähnelt einer dreistöckigen Krone - von außen schwer, von innen luftig leicht, mit viel Raum, um die Gedanken schweifen zu lassen.

Das Innere des des Afroamerikanischen Museums Foto: DW/Marina Strauß
Das Afroamerikanische Museum wirft auch architektonisch gesehen Licht auf dunkle Kapitel der US-GeschichteBild: DW/M. Strauß

Es ist auch symbolisch, dass das Afroamerikanische Museum gerade dann eröffnet, wenn das erste schwarze Staatsoberhaupt der USA auf die Zielgerade seiner Präsidentschaft zusteuert. Zeugnisse von Barack Obamas Zeit im Weißen Haus sind im Museum prominent vertreten, wie etwa Magazincover und ein schwarzes Kleid mit großen Mohnblumen, das die First Lady beim 50. Jubiläum des Marsches auf Washington trug. Obama selbst sagte bei der Eröffnung, das Museum werde dazu beitragen, dass sich die Amerikaner untereinander besser verstehen würden. Es werde dabei helfen, eine vollständige Geschichte über das zu erzählen, wer man als Amerikaner sei.

Genauso wie die Wahl des ersten Afroamerikaners zum mächtigsten Mann des Landes, ist die Eröffnung des Museums für Dorie Ladner und viele andere Afroamerikaner ein Triumph. "Es dreht sich alles darum, was wir als Afroamerikaner schon geschafft haben und was noch auf uns zukommt. Es bleibt noch ein langer Weg, wir sind bisher auf keinen Fall gleich", sagt Ladner.

Das Museum mag symbolische Strahlkraft haben. Für Ladner und viele andere geht der Kampf aber weiter - vor allem in Zeiten, in denen Hautfarbe und Herkunft immer noch Politik und Alltag dominieren.