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Chaos am Nil - Mursi in Berlin

30. Januar 2013

Der ägyptische Präsident hat auf die gewaltsamen Proteste in seinem Land reagiert und verkürzt den Besuch in Deutschland auf einen Tag. Die Bundeskanzlerin erhielt viele Ratschläge für das Gespräch mit dem Staatsgast.

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Merkel und Mursi reichen sich die Hand (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Wie geht es politisch weiter in Ägypten, zwei Jahre nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak? Diese zentrale Frage wird das erste Aufeinandertreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ägyptens Präsidenten Mohammed Mursi in diesen Stunden bestimmen. Denn Mursi steht als erster islamistischer Präsident nicht unumstritten an der Spitze seines Landes. Das hat sich in den vergangenen Tagen gezeigt.

Seit Freitag gab es bei gewalttätigen Proteste nach offiziellen Angaben 49 Todesopfer. Das Militär warnte angesichts dessen vor einem Zusammenbruch des Staates. Oppositionsführer Mohammed al-Baradei schlug jetzt eine Krisensitzung Mursis mit der Opposition vor. Ziel dieses Treffens müsse es sein, die Gewalt zu beenden und einen ernsthaften Dialog zu beginnen, schrieb der Friedensnobelpreisträger im Kurznachrichtendienst Twitter.

Präsident Mursi erstmals zu Besuch in Berlin

An dieser Krisensitzung sollten auch die Minister für Inneres und Verteidigung sowie Vertreter der Opposition und der radikal-salafistischen Partei des Lichts teilnehmen. Bislang hatten die meisten Oppositionellen die Einladung der regierenden Islamisten zu einem Dialog abgelehnt, weil diese bei früheren Gesprächen nie auf ihre Forderungen eingegangen waren.

Gespräche über den Nahost-Friedenprozess

Mursi, der aus den Reihen der Muslimbruderschaft stammt, wurde von der Kanzlerin mit militärischen Ehren empfangen. Bei dem anschließenden Mittagessen dürften die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen der beiden Länder Thema sein. Als weitere Gesprächsinhalte galten der festgefahrene Nahost-Friedensprozess und der Bürgerkrieg in Syrien.

Auf Mursis Programm steht auch eine Rede mit anschließender Diskussion vor der renommierten Körber-Stiftung. Im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages soll Mursi ebenfalls Rede und Antwort stehen. "Dabei interessiert uns vor allem seine Vorstellung von der weiteren Demokratie- und Rechtsstaatsentwicklung, hier insbesondere Fragen der Frauenrechte und der Religionsfreiheit", sagte der Ausschussvorsitzende Ruprecht Polenz (CDU) der "Mitteldeutschen Zeitung".

Ägyptens Wirtschaft leidet

Mursi reist früher ab

Die Grünen-Vorsitzende Clauda Roth hat klare Vorstellungen von dem Gesprächsverlauf zwischen Merkel und Mursi. In einem Zeitungsinterview forderte sie die Kanzlerin auf, ihren Gast zum Dialog mit der Opposition in Ägypten zu drängen. "Mursi trägt als frei gewählter Präsident eine Verantwortung für alle Ägypter", sagte sie der "Rheinischen Post". "Er muss sich für die Einbeziehung der Opposition, für gleiche Rechte, Gewaltlosigkeit und eine Verbesserung der sozialen Lage einsetzen."

Ursprünglich wollte der ägyptische Präsident zudem am morgigen Donnerstag mit Bundespräsident Joachim Gauck zusammentreffen. Diese Visite und auch einen Staatsbesuch in Frankreich am Freitag sagte Mursi jedoch kurzfristig ab.

Proteste auch in Berlin

Vor dem Kanzleramt in Berlin protestierten Menschenrechtsgruppen gegen die Gewalt in Ägypten. "Auch in den vergangenen Monaten hat sich unter der Präsidentschaft Mursis die Menschenrechtslage in Ägypten nicht durchgreifend verbessert", sagte Henning Franzmeier von Amnesty International.

Aktivisten der Gesellschaft für bedrohte Völker setzten sich zudem für die Gleichberechtigung der Kopten in dem mehrheitlich muslimischen Land ein. Daneben skandierten mehrere Exil-Ägypter lautstark gegen Mursi, unter dem Menschenrechtsverletzungen genauso weitergeführt würden, wie unter dem ehemaligen Präsidenten Husni Mubarak.

(Foto:Markus Schreiber/AP/dapd)
Aktivisten von Amnesty trugen Nofretete-MaskenBild: dapd

Auch am Dienstagabend war es in Ägypten wieder zu heftigen Ausschreitungen gekommen, die nach Einbruch der Nacht eskalierten. Dabei attackierten Demonstranten die Polizei mit Steinen und wurden ihrerseits mit Tränengas beschossen. In Port Said waren Panzer auf den Straßen, während weitere sechs Todesopfer zu Grabe getragen wurden.

Tausende marschierten im Trauerzug und riefen Parolen gegen Mursi. Der Präsident hatte das Militär nach Port Said und Suez entsandt und ebenso wie in Ismailija den Ausnahmezustand verhängt.

li/mm/SC (dapd, dpa, rtr, afp)