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Mursi-Gegner wittern Betrug

17. Dezember 2012

Ägypten bleibt auch bei der Abstimmung über die künftige Verfassung tief gespalten. Die größte Oppositionsbewegung spricht von Betrug und ruft zu neuen Protesten auf. Berlin befürchtet bereits eine neue Diktatur am Nil.

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Stimmauszählung nach der ersten Runde des Verfassungs-Referendums in Ägypten (Foto: dapd)
Bild: AP

Nach der ersten Runde des Verfassungsreferendums in Ägypten hat die wichtigste Oppositionsbewegung "Nationale Heilsfront" zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen. Die Ägypter sollten "am Dienstag auf die Straße gehen, um ihre Freiheiten zu verteidigen, Betrügereien zu verhindern und den Verfassungsentwurf zurückzuweisen", heißt es in einer Erklärung der Heilsfront, in der die wichtigsten liberalen und säkularen Oppositionsparteien des Landes zusammengeschlossen sind.

Nach ersten inoffiziellen Ergebnissen zeichnet sich zum Auftakt des Referendums eine Mehrheit für den umstrittenen Entwurf der Islamisten ab - rund 56 Prozent der Wähler sollen die Verfassung gutgeheißen haben. Das meldet die Partei für Freiheit und Gerechtigkeit, der politische Arm der hinter Präsident Mohammed Mursi stehenden Muslimbruderschaft. Doch überraschend viele Ägypter stimmten mit Nein: Sowohl in der Hauptstadt Kairo als auch in der Provinz Gharbija setzten sich die Verfassungsgegner durch.

Doch eine eher geringe Beteiligung?

Ägypten: offenbar knappe Mehrheit für neue Verfassung

26 Millionen Männer und Frauen waren zur Stimmabgabe berechtigt. Obwohl sich vor vielen Wahllokalen lange Schlangen gebildet hatten, beteiligte sich offenbar nur jeder dritte Berechtigte an der Volksabstimmung. Offizielle Ergebnisse sollen erst nach der zweiten Runde am 22. Dezember bekanntgegeben werden.

Die Opposition spricht von Wahlrechtsverstößen und fordert eine Wiederholung der Abstimmung. Acht Gruppen beklagten bei einer Pressekonferenz in Kairo, dass Wähler mit religiöser Propaganda behelligt und Beobachter am Betreten der Wahllokale gehindert worden seien. Der Generaldirektor des Kairoer Institutes für Menschenrechtsstudien, Bahai ed-Din Hassan, wies ferner darauf hin, dass mehrere Wahllokale vor der angekündigten Zeit geschlossen worden seien.

Bereitschaftspolizisten beziehen Stellung vor dem Präsidenten-Palast in Kairo (Foto: reuters)
Auf dem Weg in eine Diktatur?Bild: REUTERS

Klagen über Einschüchterungen

Am Wahltag hatte es auch Berichte über die Einschüchterung von Oppositionellen und Christen durch "bärtige Männer" gegeben. In Alexandria übernahmen nach Angaben der Zeitung "Al-Ahram" sogar Salafisten an einer Schule die Wahlaufsicht und sagten den Wählern, sie sollten mit Ja stimmen. Berichte, wonach es in 26 Wahllokalen in vier Provinzen nicht wie vorgeschrieben eine Aufsicht durch Richter gab, wies das Justizministerium zurück.

Die Diskussion um die erste Verfassung nach dem Sturz von Langzeitpräsident Husni Mubarak spaltet schon seit Wochen die Menschen im bevölkerungsreichsten arabischen Land. Immer wieder gab es Massenproteste und tödliche Krawalle. Aus Sicht der Opposition garantieren die oft unscharfen Formulierungen des Verfassungsentwurfs nicht die Bürgerrechte. Zudem fürchten die Gegner, dass der Text einer islamistischen Prägung der Gesetzgebung den Weg ebnet.

Berlin ist besorgt

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel befürchtet, dass Ägypten unter Präsident Mohammed Mursi und der Muslimbruderschaft in eine Diktatur abgleitet. Es bestehe die Gefahr, dass das diktatorische System des gestürzten Präsidenten Husni Mubarak wieder auflebe, nur diesmal mit anderen Personen, sagte Niebel der "Berliner Zeitung". Angesichts der unsicheren Zustände in Syrien, Libanon und Jordanien bedeute ein instabiles Ägypten ein enormes Sicherheitsrisiko über die Region hinaus, warnte er.

Die Bundesregierung habe bis auf weiteres die Regierungskontakte zu Ägypten eingeschränkt, sagte Niebel weiter. So habe er etwa die Regierungsverhandlungen über die Entwicklungskooperation abgesagt, die eigentlich Mitte Dezember stattfinden sollten. Auch der geplante teilweise Schuldenerlass von bis zu 240 Millionen Euro werde verschoben, kündigte der Minister an: "Es liegt in der Hand der ägyptischen Regierung".

rb/wl (afp, dapd, dpa)