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Mubarak im Gefängnis

Viktoria Kleber2. Juni 2012

Ägyptens Ex-Präsident muss lebenslang hinter Gitter. Dennoch ist das Urteil ein Schlag ins Gesicht der Revolutionäre: Alle Polizisten, die Verantwortlichen für die Blutbäder, sprachen die Richter frei.

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Protestler mit übermaltem Mubarak-Plakat
Bild: Reuters

Hazin Gomar fällt auf die Knie und schreit "Allahu akbar" - "Gott ist groß". Er neigt seinen Kopf auf den Boden und küsst dann das Bild seines Sohnes Hussein. Hussein wurde am 28. Januar 2011 während der Revolution von einem Polizisten erschossen. 18 Jahre war er alt. Seitdem kämpft sein Vater für Gerechtigkeit. Und als das Gericht verkündet, dass Mubarak lebenslang ins Gefängnis muss, scheint dieser Moment so nahe. Hazin Gomar bricht in Tränen aus. "Es ist der glückliste Tag in meinem Leben", sagt er. "Gott ist groß, Gott ist groß."

Revolutionäre und Märtyrer-Familien liegen sich vor der Polizeiakademie im Norden Kairos, vor dem Gericht, in dem Hosny Mubarak verurteilt wurde, in den Armen. Ihre Kinder, ihre Freunde sind nicht umsonst gestorben - das denken sie zunächst.

Freispruch für die Mörder

Als dann die Nachricht die Runde macht, dass andere Angeklagte, die für die Blutbäder während der Revolution verantwortlich sind, freigesprochen wurden, toben die Revolutionäre. Es sind die sechs Assistenten des früheren Innenministers Habib el-Adli, die keine Strafe bekommen, darunter drei Leiter von Polizeistationen in Kairo. Für das Töten der Demonstranten vor eineinhalb Jahren ist also weiterhin niemand verurteilt worden. Und auch Mubarak und el-Adli wurden lediglich dafür gerichtet, dass Töten nicht gestoppt zu haben.

Mubarak hinter einem Maschendraht (Foto:dapd)
Lebenslang hinter Gittern - das Urteil gegen MubarakBild: dapd

Es ist ein Schlag ins Gesicht der Angehörigen und eine klare Botschaft an die Polizisten: wenn ihr Demonstranten tötet, passiert euch nichts. Das wird auch zukünftig Polizisten ermutigen gewaltvoll gegen Proteste vorzugehen - so sehen es viele vor dem Gericht. Abdel Mannam Abdel Maksut, Anwalt der Muslimbrüder und Nebenkläger im Prozess ist enttäuscht. "Es wurde nicht nach fairen Regeln gespielt", sagt er. "Das Ergebnis gegen Mubarak und el-Adli ist politisches Kalkül."

Hazin Gomar hält Plakat mit dem Bild seines Sohnes (Foto: DW/Viktoria Kleber)
Wollte Gerechtigkeit für den Tod seines Sohnes: Hazin GomarBild: DW/Viktoria Kleber

Der Militärrat will mit dem Urteil die Straßen beruhigen

Denn der Militärrat will mit diesem Ergebnis die Straßen beruhigen. Der Bevölkerung zeigen, eure Revolution hat etwas erreicht. In diesem sinne agierte auch der Richter Ahmed Refaat vor der Urteilsverkündung Mubaraks: Er lobte die Revolution, sprach von der Morgenröte nach 30 Jahren Finsternis, 30 Jahren Mubarak. Und auch im Staatsfernsehen und Radio wird nur übertragen, dass Mubarak verurteilt wurde, vom Freispruch an den Mördern ist keine Rede.

In Punkto Korruption wurde auch Mubarak freigesprochen, mit ihm seine zwei Söhne. Die Vorfälle seien verjährt. Doch nicht nur Mubarak-Gegner sind enttäuscht vom dem Ergebnis, auch seine Anhänger.

So Kariman el-Sherif. 1,72 Meter groß, langes helles Haar. Sie hat sich einen Mubarak-Anhänger um den Hals gewickelt und trägt den ehemaligen Präsidenten auf einem Plakat unterm Arm. Wenn sie von Mubarak spricht, dann ist es immer noch ihr Präsident oder manchmal nennt sie ihn auch ihren Vater. "Unser Land wird nun ohne den Präsidenten bergab gehen", sagt sie. "Das Urteil kann doch nicht gerecht sein."

Kariman El-Sharif (Foto:DW/Viktoria Kleber)
Kariman el-Sharif: Anhängerin von MubarakBild: DW/Viktoria Kleber

Mubarak weint

Und auch der ehemalige Präsident findet das Urteil wohl nicht gerecht. Nachdem er aus dem Gericht in das Tora-Gefängnis geflogen wurde, weigerte er sich den Helikopter zu verlassen und weinte, so ein Sicherheitsbeamter. Zudem habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert und er musste behandelt werden. Mubaraks Anwalt und auch einige Nebenkläger haben bereits angekündigt, in Revision zu gehen.

Das Urteil in Kairo kommt zu einer politisch sensiblen Zeit. In zwei Wochen wird in Ägypten der neue Präsident gewählt: Mohammed Mursi, der Muslimbruder oder Ahmed Shafik, Mubaraks alter Premier. Vom Urteilsspruch wird nun Shafik profitieren. Er twitterte heute bereits: "Für jeden zukünftigen Präsidenten ist es eine Lehre". Und so werden viel Wähler die Angst vor den Muslimbrüder haben, für Shafik stimmen, im Glauben an die Rechenschaftspflicht eines ägyptischen Präsidenten.

Ahmed Shafik (Foto: dapd)
Ahmed Shafik hofft von dem Urteil bei der Präsidentschaftswahl zu profitierenBild: AP

Proteste auf dem Tahrir

Hazin Gomar, der Vater, dessen Sohn für die Revolution gestorben ist, ist nun wütender als zuvor. "Wenn ich ein Gewehr hätte, würde ich selber richten", sagt er. "Wie kann nur meine Seele und die meines Sohnes ruhen, so lange es keine Gerechtigkeit gibt? Warum sind die Mörder frei?"

Er will nun gemeinsam mit den Revolutionären die Bevölkerung wach rütteln, ihnen klar machen, dass heute kein historischer Tag war. Zwar ist es das erste Mal in der arabischen Welt, dass einem Präsident nach dem irakischen Diktator Saddam Huessein in Anwesenheit ein Prozess gemacht wird, jedoch ist nur der Kopf des Regimes bestraft, der Rest ist weiterhin legitimiert. Und dass der neue Kopf nicht Shafik heißt, dafür geht Hazin Gomar heute noch auf den Tahrir-Platz und demonstriert.