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Mr. No verteidigt sein EU-Veto

12. Dezember 2011

Nach der britischen Blockade bei der EU-Vertragsreform kriselt es gehörig in der konservativ-liberalen Regierungskoalition. Doch der britische Premier beharrt darauf: Sein Nein sei die einzig richtige Antwort gewesen.

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Premier David Cameron vor dem Unterhaus (Foto: picture alliance)
Premier Cameron vor dem Unterhaus: "Nationale Interessen schützen"Bild: picture alliance/empics

Vor dem Parlament in London hat Großbritanniens Premierminister David Cameron sein umstrittenes Nein zu einer EU-Vertragsreform gerechtfertigt: Weil keine zufriedenstellenden Schutzklauseln für sein Land vorgeschlagen worden seien, habe er nicht zustimmen können, sagte Cameron am Montag (12.12.2011). Dies sei die einzig richtige Antwort gewesen, für die er sich nicht entschuldigen müsse: "Ich bin nach Brüssel mit einem Ziel gegangen, die nationalen Interessen Großbritanniens zu schützen, und das habe ich getan."

Auf Grundlage der deutsch-französischen Vorschläge, ergänzt durch die "notwendigen Garantien für Großbritannien", habe er beim EU-Gipfel eine Einigung gesucht. "Diese Garantien zum gemeinsamen Markt und den finanziellen Dienstleistern waren bescheiden, vernünftig und relevant", sagte der Premier. Dabei habe er keine unfairen Vorteile für das Königreich verlangt, sondern an die gesamte Europäische Union gedacht. Die Finanzmärkte bräuchten Sicherheit, aber auch freien Wettbewerb: "Wer sagt, wir hätten die Banken geschont, könnte sich kaum mehr irren."

Zugleich bekannte sich Cameron im britischen Unterhaus zu Europa: "Großbritannien bleibt vollständiges Mitglied der Europäischen Union und die Ereignisse in der vergangenen Woche haben das in keiner Weise geändert."

Krise in der Koalition

Cameron und Vize-Regierungschef Nick Clegg (Foto: dapd)
"Verstimmt: Regierungschef Cameron (l.) und sein Vize CleggBild: dapd

Der Regierungschef hatte mit seiner Brüsseler Entscheidung eine Krise in seiner konservativ-liberalen Koalition heraufbeschworen. Die Fronten zwischen seinen Tories und den europafreundlichen Liberaldemokraten verhärten sich. Allein Cameron hatte sich beim EU-Gipfel am vergangenen Freitag geweigert, einem Vertrag für mehr Haushaltsdisziplin und -kontrolle zuzustimmen, weil ihm die anderen Mitgliedsländer Ausnahmeregeln für den Londoner Finanzplatz verweigerten.

Die Liberaldemokraten werfen ihrem Regierungschef nun vor, das Land zu isolieren. Der Chef der Liberaldemokraten, Vize-Premier Nick Clegg, erschien erst gar nicht zur Parlamentsdebatte. Er sei "bitter enttäuscht" über Großbritanniens Veto, das "schlecht für das Land" sei und es von der Gemeinschaft abspalte. Am Wochenende hatte Clegg ausdrücklich davor gewarnt, die EU zu verlassen. Großbritannien würde an Einfluss verlieren und weltpolitisch nur noch als Zwerg wahrgenommen werden.

"Diplomatisches Desaster"

Oppositionsführer Ed Miliband warf Cameron in der Debatte vor, mit einem "schlechten Deal für Großbritannien" zurückgekommen zu sein, der keine Garantien für den Londoner Finanzplatz enthalte. Der Premier sei für "ein diplomatisches Desaster" verantwortlich, sagte der Labour-Vorsitzende: "Statt unsere Interessen zu schützen, hat er uns unsere Stimme genommen." Cameron habe in Brüssel kein Veto eingelegt, sondern sei von der Entscheidung der anderen Mitgliedstaaten überrollt worden: "Das nennt man verlieren, das nennt man besiegt werden, das nennt man Großbritannien im Stich lassen." Damit habe der Premier die heimische Wirtschaft gefährdet, sagte Oppositionsführer Miliband.

Kritik aus Schottland und Wales

Schottlands Regierungschef Alex Salmond (Foto: dapd)
Schottlands Regierungschef Alex Salmond: "Grober Fehler"Bild: dapd

Schottlands Regierungschef Alex Salmond übte ebenfalls deutliche Kritik an Cameron. Dieser habe einen "groben Fehler begangen, als er offenkundig die gesamte Beziehung Großbritanniens zur EU geändert" habe, schrieb der Chef der linksliberalen SNP in einem Offenen Brief. Salmond befürchtet weitreichende Auswirkungen auf die Beziehungen von Schottland, Wales und Nordirland zur EU. Cameron habe praktisch im Alleingang Großbritannien von Europa isoliert, die Regionalregierungen seien nicht gefragt worden. Damit habe Großbritannien jede Glaubwürdigkeit in EU-Verhandlungen über eine Reihe von Bereichen verspielt, die für Schottland von hoher Bedeutung seien.

Auch aus Wales kamen kritische Worte: Regierungschef Carwyn Jones bedauerte, dass Großbritannien künftig nicht mehr an Gesprächen über die EU-Verträge beteiligt würde, obwohl sie die Eurozone und "letztlich auch Großbritannien und Wales" betreffen.

Sarkozy sieht Europa gespalten

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy (Foto: dapd)
Frankreichs Präsident Sarkozy: "Wir brauchen Großbritannien"Bild: dapd

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sprach am Montag von einer Spaltung Europas: "Es gibt jetzt ganz klar zwei Europas: Das eine, das vor allem Solidarität unter seinen Mitgliedern und Regulierung will. Und das andere, das sich nur an die Logik des gemeinsamen Marktes klammert." Einen EU-Austritt Großbritanniens lehnte er aber ab. "Wir brauchen Großbritannien."

Außerdem kündigte Sarkozy in einem Interview mit "Le Monde" an, dass die rechtlichen Aspekte des neuen Vertrags über eine Fiskalunion ohne Großbritannien in den nächsten zwei Wochen ausgearbeitet würden.


EU-Kommission warnt Cameron

Nach dem Ausscheren Großbritanniens bei der Euro-Rettung wandte sich die EU-Kommission mit deutlichen Worten an Camerons Regierung. "Falls das Manöver dazu diente, Banker und Finanzinstitutionen der Londoner City von der Finanzregulierung zu verschonen: Das wird nicht passieren", sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. "Wir müssen alle aus der derzeitigen Krise die Lehren ziehen und dazu beitragen, Lösungen zu finden, und das gilt für den Finanzsektor genauso."

Rehn sagte weiter, die Europäische Union wolle ein starkes und konstruktives Großbritannien, das in der Mitte und nicht am Rande Europas stehe. Das britische Defizit werde genauso überwacht wie das anderer Staaten, auch wenn London bisher der Euro nicht eingeführt habe.

Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, rtr, dapd, afp)

Redaktion: Rolf Breuch