1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Motten in die Tonne kloppen

Lutz Reidt3. September 2003

Biologen fürchten um die Rosskastanien in Mitteleuropa. Seit acht Jahren werden die Bäume von Miniermotten befallen. Ein wirksames Gegenmittel war bisher nicht in Sicht. Hoffnungssignale kommen aus der Schweiz.

https://p.dw.com/p/41z2
Die angefressenen Blätter verwelken und fallen frühzeitig von den BäumenBild: dpa

In diesen Tagen wird es wieder herbstlich in den Biergärten und entlang von Alleen: Welke braune Blätter der Rosskastanien segeln von den Bäumen herab und sorgen für diese vorzeitige Herbststimmung. Schuld daran sind die Larven der winzigen Miniermotte, die vor Jahren aus dem Balkan nach Mitteleuropa gelangte und den Weißen Rosskastanien zu schaffen macht.

In diesem Jahr ist es besonders schlimm. Durch die warme Witterung hat sich die erste Generation der Motten bereits Ende April gut entwickelt. Die Experten rechnen aufgrund des heißen und trockenen Sommers 2003 sogar mit vier statt drei Generationen dieser Falter. Mittlerweile haben die Motten sogar England und Südskandinavien erreicht. In der Schweiz wird derzeit eine neue Methode getestet, um der Teufelsbrut Herr zu werden.

Laub-Container in Baumkronen

Der Biologe Patrick Kehrli von der Universität Bern will die Rosskastanien-Miniermotte biologisch bekämpfen. Bislang war es üblich, die befallenen Blätter zu kompostieren oder zu verbrennen, weil im Laub viele Puppen der Miniermotte stecken, aus denen ansonsten im nächsten Frühjahr die Falter schlüpfen und die frisch belaubten Kastanienbäume befallen würden. Mit dem Laub verbrennen jedoch nicht nur die Puppen der Motten, sondern auch die Puppen von Schlupfwespen, die als natürliche Feinde die Schädlinge bekämpfen könnten.

Hier setzt Patrik Kehrli an: Er stopft das welke Laub mitsamt den verpuppten Bewohnern in die gut einen Meter hohen Laub-Container und stellt diese im Frühjahr - mit Gummiseilen gesichert - ins Astwerk der Kastanienbäume. Die Schlupfwespen entweichen daraus und legen ihre Eier in die Larven der Miniermotten. Diese werden dann von innen heraus von den Schlupfwespen aufgefressen. Parasitieren nennt man diesen Vorgang in der Biologie.

Damit sie dies möglichst effizient machen, haben die Schweizer Wissenschaftler den Schlupf der Nützlinge verzögert. Und zwar durch Kühlen des Laubes. Denn normalerweise schlüpfen die Wespen von Natur aus bereits Ende April. Die erste Generation der Mottenlarven, taucht aber erst vier bis sechs Wochen später auf, wie Dr. Horst Bathon von der Biologischen Bundesanstalt in Darmstadt erklärt.

Fressen und gefressen werden

Wichtig ist, dass eine feinmaschige Textilplane in den Laubcontainern nur die winzigen Nützlinge entweichen lässt. Die dreimal so großen Miniermotten aus dem Vorjahr, die ebenfalls im Laub überwintert haben, bleiben in der Tonne. Mittlerweile hat Patrik Kehrli seinen Versuch ausgewertet. "Der Anteil der durch Schlupfwespen parasiertern Motten war etwa doppelt so hoch wie in den letzten beiden Jahren, aber nicht höher als auf Bäumen, wo wir keine Container aufgehängt haben." Die Schlupfwespen haben sich demnach über die ganze Allee verteilt und nicht nur auf den Bäumen, wo sie aufgehängt wurden. "Das heißt, würde man mehr Container aufhängen, könnten mehr Mottenlarven vernichtet werden," sagt Kehrli.

Sollte das viel versprechende Projekt fortgeführt werden, können die Schweizer in den Biergärten und auf den Balkonen im nächsten Jahr noch mehr grüne Tonnen mitten im Geäst von Kastanienbäumen hängen sehen.