Moskaus viele "Faschismen"
Am 9. Mai hat Russland den Sieg der Sowjetunion über das faschistische Nazi-Regime Hitlers gefeiert. Für heutige Russen ist der Faschismus das personifizierte Böse - aber ihn klar zu definieren fällt schwer.
Ein belastetes Wort
Der Kreml und sein Medienapparat haben dem Begriff "Faschismus" neue, verstörende Bedeutungsnuancen gegeben. Seit der Revolution in Kiew, der Annexion der Krim und dem Krieg in der Ostukraine ist die pro-europäische Führung der Ukraine für Präsident Putin eine "faschistische Junta". So will er die Russen hinter sich bringen. Aber was verbinden seine Landsleute in diesen Tagen mit "Faschismus"?
Anja, 18, Moskau
"Faschismus ist eine nicht tolerierbare Sache aus der Vergangenheit. Er ist ein erschreckendes Phänomen. Aber wir sehen seine Erneuerung in der Ukraine. Das macht mir wirklich Angst. Wir müssen alles versuchen, dass Geschichte sich nicht 70 Jahre später wiederholt."
Wladimir, 48, Penza
"Faschisten sind Besatzer - Besatzer fremder Territorien, fremder Ideologien, fremder Politik. Faschismus ist eine Ideologie: Die Ideologie von Eindringlingen und Geiselnehmern."
Zurab, 34, Tolyatti
"Für mich ist Faschismus eine psychische Störung - wie Satanismus. Er ist das Ergebnis von Ignoranz: Die Menschen verstehen nicht, was Regierung bedeutet, was Gesellschaft bedeutet. In der Ukraine und weltweit gibt es viele Ignoranten. Faschismus existiert aber auch in Italien und in Russland. Und Marilyn Manson ist ein echter Faschist und Satanist. Eine sehr negative Person."
Alexander, 86, Kostroma
"Faschismus ist ein schreckliches Unheil für den Planeten, das leider immer noch und in wachsendem Maße existiert. In Deutschland, aber auch in Russland und besonders in der Ukraine. Es ist eine menschliche Katastrophe. Ich habe in Konzentrationslagern so sehr gelitten. Ich kenne den Faschismus nicht aus Büchern, ich habe ihn am eigenen Leib erlebt. Er muss um jeden Preis ausradiert werden."
Wladislaw, 19, Moskau
"Faschisten sind unmenschlich. Auch heute noch gibt es sie, aber sie verstecken sich hinter Masken. Sie zeigen den Menschen nicht, dass sie faschistisch sind. Wer sie sind? Schalten Sie einfach den Fernseher an und sie werden sie sehen können."
Lydia, 67, Moskau
"Wir müssen den jüngeren Generationen erklären, was Faschismus ist und wohin er führt. Ich habe drei Onkel verloren und mein Vater kam als Invalide aus dem Krieg zurück. Man kann die Geschichte nicht auf den Kopf stellen, wie es die Ukrainer tun. Wir sind die letzte Generation, die unseren Enkeln erzählen kann, was passiert ist. Und sie sind die letzte Generation, die die Wahrheit wissen wird."