1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Moskauer Beauty-Boom

Stephan Hille30. November 2004

Russlands Frauen haben Nachholbedarf in Sachen Schönheitspflege: In Sowjetzeiten mussten bisweilen sogar Agrarprodukte zur Gesichtspflege herhalten. Inzwischen pilgert die trendbewusste Frau in den Schönheitssalon.

https://p.dw.com/p/5vtx

Und hier die neuesten Meldungen aus der Moskauer Beauty- und Kosmetik-Branche: Der Markt boomt, wie sonst keiner. Umsatzgewinne von jährlich 18 Prozent werden vermeldet. Es droht die Überhitzung des Gurken-Peeling. Noch nie gab es in der russischen Hauptstadt so viele "Salony Krasoty" - zu deutsch Schönheitssalons - wie heute. Etwa 10.000 Salons bieten die unterschiedlichsten kosmetischen Dienste an. Täglich öffnen drei bis vier neue Etablissements. Auf tausend Einwohner, das heißt, eher Einwohnerinnen, kommt heute ein "Salon Krasoty". Damit, so sagen Branchenkennerinnen, sei die kritische Wachstumsgrenze erreicht.

Wahnsinn, wie sich das Land und die Frauen verändert haben. Zu Sowjetzeiten blieb den Arbeiterinnen und Bäuerinnen außer Phantasie und den heimischen Naturprodukten nicht viel, um ihre natürliche Schönheit und weiblichen Reize noch stärker zu betonen. Mal abgesehen von Seife, war der Kosmetikmarkt, um es freundlich auszudrücken, recht übersichtlich. Höchst begehrt, weil nur selten in den Regalen, war das Duftwasser "Odekolon". Um etwas Farbe ins Gesicht zu bekommen, griff so manche Frau auf rote Beete zurück.

Gut für den Körper oder den Anbieter

Heute sieht das, nein, sehen die Frauen natürlich ganz anders aus. Vorausgesetzt, sie verfügen über das nötige Kleingeld, um sich beauty-technisch den letzten Schrei zu verpassen. Man braucht wohl ein Fremdwörterbuch, um überhaupt eine Vorstellung der ganzen angebotenen Dienstleistungen zu bekommen. "Mesotherapie", "Chorotologie" und "Darsonvalisation" bietet da ein Moskauer Salon an. Ob das wirklich gut ist für den Körper?

Egal. Wer was auf sich hält, kommt um den Besuch im Schönheitssalon nicht herum, beziehungsweise aus demselben kaum noch heraus. Maniküre, Haare schneiden, Haare färben, Peeling, das Paraffinbad und das regelmäßige Solarium kosten nicht nur Geld, sondern auch viel Zeit. Bis zu einem Drittel ihres Gehalts lassen die Frauen der Mittelklasse in den Kassen der Kosmetiker zurück, sagen die Statistiker.

Mangel an Personal

Inzwischen gibt es schon einen Mangel an genügend gut ausgebildeten Fachkräften, die sich um das Wohl und den Körper der russischen Schönheiten kümmern. Der Boom hat auch schon einige schwarze Schafe auf den Plan gerufen, die für viel Geld fragwürdige kosmetische und medizinische Dienstleistungen versprechen. Zum Beispiel Verjüngungskuren durch Therapien mit Stammzellen. Rund 50 Schönheitskliniken versprechen, graue Haare, kleine Fältchen und ähnliche Scheußlichkeiten mit Hilfe von Sammzellenpräparaten zu bekämpfen.

Olga Normalverbraucherin vor den kaum erforschten Risiken und Nebenwirkungen zu warnen, ist zwecklos. Schönheit muss leiden, heißt es auch in Russland. Die Schönheitskonsumenten haben volles Vertrauen in das Können der Experten. Dass die russischen Biowissenschaftler in der Frischhaltetechnik einiges auf dem Kasten haben, haben sie ja schon lange bewiesen. Lenin liegt auch noch achtzig Jahre nach seinem Ableben pfirsichfrisch unter dem Glas.