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Musik

Moskau begeistert die Band Kraftwerk

Miodrag Soric
13. Februar 2018

Die Musiker der deutschen Kult-Band Kraftwerk sollen sich mit den Russen und ihrer Kultur sehr verbunden fühlen. Andersherum ist die Begeisterung offenbar nicht ganz so groß. Miodrag Soric war beim Konzert in Moskau.

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Musik-Band Kraftwerk live
Kraftwerk bei einem Auftritt (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/RMV via ZUMA Press/Mike Tudor

"Ein bisschen ist es schade, dass sie sich seit langem immer nur selbst zitieren", sagt ein Fan nach dem zweistündigen Kraftwerk Konzert im staatlichen Kremlpalast Moskaus. Gefallen habe ihm die Musik – wie immer. Aber wirklich neu sei diese halt nicht mehr. So in etwa die Reaktion vieler der 6000 Russen, die rund 35 Euro berappten, um sich an diesem Dienstag (13.2.2018) die Düsseldorfer Pop-Gruppe anzuhören. Die meiste Zeit saßen die Zuschauer in ihren tiefen Sitzen in einem Saal, den der frühere KPdSU Parteichef Nikita Chruschtschow hat errichten lassen, um hier kommunistische Parteitage abzuhalten. Ein bisschen erinnerte das Konzert auch an eine Versammlung von in die Jahre gekommenen Damen und Herren, die ihren Idolen aus der Jugend zuhören, die – zum Trost aller – ebenfalls das Rentenalter erreicht haben.

Moskau - Staatlicher Kremlpalast
Der Staatliche Kremlpalast wurde früher für die Parteitage der KPdSU genutzt.Bild: kremlin.ru

Etwas Stimmung kam auf als Kraftwerk im zweiten Teil des Konzertes ihre bekanntesten Hits wie "Radioaktivität", "Autobahn" oder "Wir sind die Roboter" spielten. Einige wenige Zuschauer in den hinteren Sitzreihen standen sogar auf und machten ruckartige Bewegungen, so wie sie sich Roboter vorstellen. Doch die meisten Zuschauer blieben sitzen - mit ihren 3-D-Brillen auf der Nase und den Mobiltelefonen in den Händen. Viele nahmen zumindest Teile des Konzerts auf ihren Handys auf, verbreiteten Videoschnipsel über die sozialen Medien.

So etwas wie Begeisterung machte sich kaum breit im rechteckigen Veranstaltungsgebäude aus Glas und Marmor, nur wenige hundert Meter entfernt vom Sitz des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Eine statische Aufführung, so der russische Musikexperte Alexej Munipov: "Die kommunizieren nicht mit dem Publikum, so wie das die Rock-Musiker im Blut haben, wenn sie zum Beispiel Schlagstöcke ins Publik werfen, oder den Fans zurufen: 'Könnt ihr mich hören?' Bei Kraftwerk ist alles ein reiner Monolog. Die Musiker bewegen sich praktisch nicht, wackeln ein bisschen hinter ihren Pulten."

Russische Einflüsse in Kraftwerks Musik

Die Gruppe "Kraftwerk" sei in Russland nie wirklich populär geworden eben weil sie zu wenig emotional sei für die Russen, so Munipov. Bereits 2004 waren die Musiker in Moskau. Sie liebten Russland mehr als dies umgekehrt der Fall sei, so der Musikexperte. So habe die russische Avantgarde der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, die russische Kunst, besonders der Konzeptionalismus, die Mitglieder der Band in den 70er und 80er Jahren stark beeinflusst, erklärt Munipov. Schon früher habe Kraftwerk bei ihren Konzerten russische Wörter in kyrillischen Buschstaben auf die Bühne projiziert. Das Wort Roboter und das russische Wort für Arbeiten – 'robotat' – haben die gleiche Wurzel.

Wenig beeindruckt zeigen sich die Russen von der jüngsten Ehrung die Kraftwerk in den USA erfahren hat: Sie erhielten einen Grammy. Dazu Alexej Munipov: "Natürlich ist es nicht schlecht einen Grammy verliehen zu bekommen, aber nicht für Kraftwerk. Sie sind wichtiger als der 'Grammy'."

Moskau - Staatlicher Kremlpalast
Im Staatlichen Kremlpalast sind auch schon Stars wie Mariah Carey, Tina Turner und Leonard Cohen aufgetreten.Bild: picture-alliance/dpa/B.Weißbrod

Vielleicht die letzte Chance

Viele Russen identifizierten sich mit der kritischen Haltung der Musiker gegenüber Atomenergie. Kraftwerk nahm bereits im Sommer 1975 den Hit "Radio-Aktivität" auf. Nach dem schrecklichen Reaktor-Unfall von Tschernobyl betrachten viele diesen Song als prophetisch, als eine Art Menetekel. Nach dem Moskauer Konzert diskutieren Fans vor dem Ausgang darüber. Für viele ist "Kraftwerk" einfach nur eine Kult-Band, eine Gruppe, die ihrer Zeit stets voraus ist.

Ob die Düsseldorfer Pop-Gruppe ein weiteres Mal nach Moskau zurückkommt? Viele Konzertbesucher glauben es nicht. Einige brachten ihre Kinder mit in den Kremlpalast, sprachen von einem "musikhistorischen Event", woran sich die ABC-Schützen später einmal erinnern würden.