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Moral, Politik und die Wahlen

25. Mai 2004

– Ungarische Opposition fordert Truppenabzug aus dem Irak

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Budapest, 24.5.2004, PESTER LLOYD, deutsch

Die ungarische konservative Opposition erhielt unerwartet massive Wahlhilfe. Diese kommt von Seiten der brutalen amerikanischen Gefängnisaufseher, die ihren Sadismus an den irakischen Insassen ausließen. Und Wahlhilfe auch von den Irakern, die aus Rache daraufhin einen Amerikaner köpften – und vermutlich noch weitere solcher Gräueltaten verrichten werden.

Die Opposition befindet sich in der glücklichen Lage, die Meinung des Großteils der Ungarn aussprechen zu können: holt unsere im Irak stationierten Soldaten unverzüglich heim. Dem Vorsitzenden des Fidesz (Bund Junger Demokraten – MD)-Bürgerbundes, Viktor Orbán, zufolge sind die Ereignisse im Irak moralisch inakzeptabel, da die Menschenrechte eben durch jene verletzt werden, die mit der Absicht ins Land kamen, dort die Demokratie zu etablieren. Was im Irak geschieht, habe nichts mehr mit dem Kampf gegen den Terrorismus zu tun, den der Fidesz auch künftig unterstütze. Und auch wenn sich die ungarischen Soldaten nicht an den Gewalttaten beteiligten, hätten sie nichtsdestotrotz einen Teil der Verantwortung zu tragen – auch wenn sie nichts dagegen tun konnten. Orbán schlug in dieser Frage Konsultationen der vier Parlamentsparteien vor, begrenzte den Spielraum zugleich aber drastisch: man sollte Premier Medgyessy, der in Kürze in Washington mit Präsident Bush zusammentreffen wird, im Voraus verpflichten, das Mandat der ungarischen Truppen nicht zu verlängern.

Eine Bedingung, der der Regierungschef keineswegs Folge leisten kann. Auch wenn die Sozialisten die Umfrageergebnisse ebenso kennen wie die Opposition: über drei Viertel der Bevölkerung sprachen sich für Rückbeorderung des Transportbataillons und gegen die amerikanische Intervention überhaupt aus. Die Sozialliberalen aber, die schon im Vorjahr mit ihrer umstrittenen Bekundung der Bündnistreue zu Washington Paris und Berlin verärgerten, schrecken vor einer Verärgerung der Amerikaner zurück und bezichtigen die Opposition, den Irak-Konflikt zum Thema des Europawahlkampfes zu machen. Die Befürchtung ist berechtigt. Die Fortsetzung des Einsatzes könnte – besonders wenn es zu Opfern auf der ungarischen Seite kommen sollte – den erwarteten Erfolg der Opposition bei den Wahlen beträchtlich vergrößern.

Offen bleibt nur eine, allerdings sehr wichtige Frage: Könnte es sich Viktor Orbán, wäre er heute Ministerpräsident, erlauben – und würde er dies überhaupt wollen –, sich in einer Grundsatzfrage der ungarischen Außenpolitik den Erwartungen Washingtons zu widersetzen? (fp)